FreiGeist

STEIERMARK – Druck, Satz, Sieg

Den Geruch von Büchern und frisch gebrühtem Kaffee assoziiere ich mit gemütlichen Regentagen, erholsamen Reisen und dem immer wieder einmal ganz bewusst zelebrierten Sonntag im Bett. Je nachdem, welche Art von Duftnote das buchstabenschwangere Papier beim Umblättern geradewegs in meine Nase entsendet, ist dieses Odeur in der Lage, Erinnerungen an Vergangenes hervorzuholen oder meine Vorstellungen über noch Unbekanntes anzuregen. Rinde, Gräser, Zitronensäure, Vanille, Erde oder Russ, jedes Bucharoma hat seinen besonderen Reiz und passt zu einer speziellen Stimmung. Möglicherweise gehöre ich auch aus diesem Grund zu den Büchersammlern, die nichts mehr lieben, als aus einer großen Auswahl schöner Bände just jenes herauszuziehen, das mit dem jeweiligen Moment harmoniert.

Meine Leidenschaft mag wohl sein Übriges dazu beigetragen haben, dass wir uns an einem schönen Tag im vergangenen Frühsommer mit anderen sich frei(er) bildenden Kindern in Graz – der Hauptstadt der Grünen Mark – getroffen haben, um dem Verein „DruckZeug“ einen Besuch abzustatten.

Während die „Druckerei Bauer“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts am Standort in der Grazer Annenstraße noch erfolgreich geschäftliche und private Drucksorten gefertigt hatte, geriet diese vor dem Hintergrund der technologischen Beschleunigung Ende der 90er Jahre zunehmend unter Druck. Ausgerechnet die Konkurrenz bewahrte sie vor dem vollständigen Untergang, sicher nicht ohne Eigennutz. Wolfgang Khil, der in vierter Generation die traditionsreiche „Familiendruckerei Khil“ in Graz leitete, hatte mit dem Kauf der insolventen „Druckerei Bauer“ nicht nur Platz für seine eigenen Gerätschaften geschaffen, sondern rettete als Sammler und Liebhaber des Buchdrucks auch die funktionstüchtigen Bauer’schen Maschinen.

Wolfgang Khil (rechts im Bild) erklärt interessierten jungen Menschen die Funktionsweise einer Kniehebelpresse.
Kniehebelpresse des Herstellers G. Sigl aus dem Jahr 1872

Heute leitet der Verein „DruckZeug“ die Geschicke der historischen Druckerei samt ihres Interieurs als lebendiges Museum mit dem Ziel, in dieser besonderen Umgebung nach wie vor zu drucken wie zu Gutenbergs Zeiten. In einer Zeit, in der die haptischen Eindrücke und Erlebnisse für Kinder mehr und mehr ins Hintertreffen geraten, fand ich den Gedanken besonders charmant, die lieben Kleinen an alte Satz- und Drucktechniken heranführen zu lassen und freute mich, dass mein Vorschlag so regen Anklang gefunden hatte.

Die Kinder wurden in zwei Altersgruppen geteilt. Unser 11-Jähriger gehörte zu den Älteren und marschierte schnurstracks mit seiner Gruppe ins obere Geschoß, wo sich eine beachtliche Sammlung an bleiernen Lettern befand.

Der gelernte Setzer Gerhard Winkler entführte die interessierten Kinder in eine schon fast vergessene Welt.

Die jüngeren Kinder unterdessen durften im Erdgeschoss mit Farbwalzen unter geduldiger Aufsicht und Anleitung des gelernten Druckers Hannes Schneeberger Druckerfarbe auf Druckplatten auftragen und ihre eigenen, kleinen Kunstdrucke mit Hilfe von Klischees herstellen.

Während Druckerfarbe zu Gutenbergs Zeiten noch aus Leinöl und Russ hergestellt wurde, greift man heute auf eine Mischung aus Harzen, Pigmenten und Lösungsmitteln zurück.

Schon bald wurde in jeder Ecke eifrig gearbeitet. Die Kinder setzten und druckten, lachten und plauderten, stellten Fragen und durften sich an Dingen versuchen, die den Anschein hatten, einer gänzlich fremden Welt zu entspringen. Vor allem die schon etwas älteren Kinder zeigten reges Interesse, sehr zur Freude jener Vereinsmitglieder, die ihr Fachwissen zur Verfügung stellten.

Beim ersten Mal wurde genau erklärt, wie man das „Satzschiff“ mit schweren Magneten korrekt positioniert. Später führten die größeren Kinder alle Schritte selbständig durch.

Man konnte förmlich spüren, wie der Funke der Altvorderen auf die jungen Menschen übersprang und ein Dialog der Generationen entstand. Gleichzeitig stand auch ein wenig Melancholie im Raum. Es war, als erwachte eine Sehnsucht in den Köpfen mancher Erwachsener, unfähig jedoch, mehr zu sein als ein Gedanke. Und doch vermählte sich die stille Wehmut nach einer Zeit, in der jedes Buch ein Kunstwerk war, mit der Hoffnung, dass in den Herzen der Kinder ein Feuer entfacht werden konnte, das die Kunst des Druckens noch ein kleines Stück weiter in die Zukunft tragen möge.

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