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Guten Tag, ich bin der Nikolaus …
Meine treuen Leser haben gewiss schon bemerkt, dass ich mit meinen London-Beiträgen ein klitzekleines bisschen hinterher hinke. Die letzten drei Berichte werden in Kürze hier zu lesen sein – mit nur knapp anderthalb Monaten Verspätung. Der Alltag hatte mich nach unserer Rückkehr sofort wieder fest im Griff und so einiges ist innerhalb der Familie im Um- und Aufbruch. Verzeiht also bitte, wenn die Chronologie der Ereignisse nicht ganz gewährt ist. Halbwegs aktuell bin ich aber mit meinem heutigen Thema, das ich kurzerhand einschiebe, um euch mit unserer feierlichen Adventstimmung nicht erst zur Sommersonnenwende anzustecken – obwohl ja der Grundsatz „nach Nikolaus ist vor Nikolaus“ gilt und alles wohl halb so…
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LONDON – Hidden Jazz Club
Zerrissen zwischen menschenverachtender Peinigung auf der einen und zunehmendem Widerstand gegen die jahrzehntelange Ausbeutung auf der anderen Seite erklang im ausgehenden 19. Jahrhundert in den Straßen Amerikas immer öfter eine Mischung aus den rhythmischen Worksongs der Sklaven und europäischer Musik, welche zuerst in den Marching Bands, später in der Ragtime-Ära gipfelte. Bis sich daraus das vollständig neue und gerade bei jungen Menschen populäre Musikgenre des Jazz entwickelte, dauerte es noch einige Jahre. Unaufhaltsam war aber schlussendlich das Überschwappen der Klangwelle nach Großbritannien in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Gereift zu einem Stil, in dem die Improvisation über das reine „Spielen vom Notenblatt“ siegte, zogen Piano, Saxophon, Trompete und Kontrabass…
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LONDON – Streetart
Kennt ihr kreative Menschen? Oder habt ihr selbst diesen ganz besonderen, schöpferischen Blick auf die Welt, der allen Künstlern dieses Erdballs gemein ist? In unserem Haus füllt unsere Tochter Maja (14) jedes ihr zur Verfügung stehende weiße Blatt mit fantasievollen Kreationen. Jüngst wurde die Aquarellmalerei von Bleistiftzeichnungen im Mangastil abgelöst. In ihrem Zimmer lagern die unterschiedlichsten Pigmentträger, Pinsel und Skizzenpapier im Übermaß. Der Raum selbst ist eine einzige jahreszeitenangepasste Wechselausstellung. Es würde uns nicht wundern, wenn sich ihre lauter werdenden Schreie nach Unabhängigkeit und Freiheit, die schon die Jugendlichen aller früheren Generationen auf dieselbe Art und Weise in die Welt posaunten, auf die Orte ihres künstlerischen Ausdrucks ausweiten würden. Streetart…
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LONDON – Acht Millionen Exponate, …
… 92.000 m² Ausstellungsfläche, ältestes beständig existierendes Museum, fast sechs Millionen Besucher jährlich, größter überdachter Innenhof Europas. Als mich die Dame vom Sicherheitsdienst am Südeingang des „British Museum“ freundlich darüber informierte, dass ich ohne Vorreservierung des eigentlich kostenfreien Tickets zum Nordeingang am „Montague Place“ laufen müsse, hegte ich keinerlei Zweifel daran, dass die zehn Minuten Fußmarsch, von denen sie sprach, realistisch seien. Ich befürchtete schon, dass die Reihe dort noch viel länger ausfallen könnte, stellte aber wohlwollend fest, dass sich am „Tor der Spontanen“ gefühlt sogar weniger (jedoch immer noch genug) Menschen anstellten. Meine beiden älteren Kinder waren schon seit zwei Stunden im Museum, während ich zuvor noch Linus (10)…
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LONDON – Sky Garden im Nebel
„Mama, kann ich nicht doch hier unten im Café warten?“, jammerte Maja (14). Ich zog eine Augenbraue hoch, nahm einen Schluck Cappuccino, doch bevor ich mit Worten reagieren konnte, fuhr Laurin (17) dazwischen und antwortete an meiner statt: „Neeeeeein, du kommst schön mit!“ Meine Tochter leidet – wie ich – unter leichtem Unwohlsein bei der Nutzung von Liften, Seilbahnen oder anderem technischen Gerät, das geeignet ist, einen in hohe Höhen zu befördern. Seit ich Kinder habe, mache ich aber eine Art selbst auferlegter Konfrontationstherapie, denn natürlich will ich mir nichts anmerken lassen. Mein Kopf weiß ja, dass die Wahrscheinlichkeit eines Unglücks bei nahezu Null liegt. An den potentiell betrunkenen Ferialpraktikanten,…
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LONDON – Warum der Nullmeridian nicht auf der Länge Null liegt …
Wie ich euch schon berichtete, wechselten wir uns während unseres Londonaufenthaltes mit den für diese Jahreszeit üblichen Erkältungssymptomen ab. Nach unserem Sherlock-Holmes-Tag, den Maja (14) bereits auslassen musste, war nun ich an der Reihe. Bereits beim Essen hatten mich Kopfschmerzen und ein unnatürliches Temperaturempfinden geplagt. Also legte ich mich mit einer gewissen Gliederschwere und dröhnendem Schädel schon am Nachmittag ins Bett. Siebzehn Stunden Schlaf später fühlte ich mich wie neu geboren und war wieder voller Tatendrang. Eine heillos überfüllte U-Bahn brachte uns nach Canary Wharf, wo wir in die DLR („Docklands Light Railway“) umstiegen. In „Island Gardens“ brauchte es nicht lange, bis wir den kleinen Rundbau mit dem auffälligen Kuppeldach…
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LONDON – Zu Besuch in der 221b Baker Street
Wusstet ihr, dass der geistige Erfinder von „Sherlock Holmes und Dr. Watson“ kurze Zeit in Österreich zur Schule ging? Sir Arthur Conan Doyle besuchte das Jesuitengymnasium „Stella Matutina“ in Feldkirch und sollte dort seinen Horizont erweitern sowie sein Deutsch perfektionieren. Der Schotte aus eher ärmlichen Verhältnissen hatte wohlhabende Förderer in seinem Umfeld und studierte schlussendlich Medizin sowie praktische Botanik im schottischen Edinburgh. Nach zwei Reisen als Schiffsarzt eröffnete er eine Arztpraxis in Portsmouth und später auch in London an der damaligen eleganten Adresse 2 Upper Wimpole Street. Gemäß seiner Autobiografie soll er aber an dieser Anschrift niemals auch nur einen Patienten empfangen haben. Überhaupt war seine Karriere als Arzt nicht…
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LONDON – Auf alten Treppelwegen
London ist eine Stadt mit unterschiedlichsten Gesichtern: elegant, pulsierend, modern, verrückt, steif, verrucht, exzentrisch, bunt, aristokratisch. Ich bin davon überzeugt, dass ein ganzes Leben nicht ausreicht, um jeden Winkel dieser Metropole zu erkunden. Bereits im Jahr 1801 überschritt die Einwohnerzahl der Stadt die Millionengrenze. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sie sich zur damals größten Stadt der Welt, gleichwohl sie sehr kompakt war. Die Menschen bewegten sich zu Fuß oder zu Pferde fort, nur die reichsten unter ihnen konnten sich Kutschen leisten. Über die verschmutzte Themse führten in dieser Zeit erst zwei Brücken. Am Fluss selbst verkehrten zahlreiche sogenannte „Wherries“, kleine Ruderboote, die der Beförderung von Menschen (und Waren) dienten.…
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LONDON – Wingardium leviosa!
Habt ihr auch Kinder, die die übernatürliche Welt der Hexen und Zauberer des Harry-Potter-Universums lieben? In unserem Muggelhaushalt gibt es große Fans von anmutigen Schneeeulen, hüpfenden Schokofröschen und magischen Rumtreiberkarten. Da ich nicht willens war, hunderte Euros für Tickets und Transfer zu den Warner-Bros-Studios in London auszugeben, hatte ich stattdessen eine themenbezogenen Tour durch die Stadt vorbereitet, auf die ich die Kinder mitnehmen wollte. Den Beginn machte das „House of MinaLima“ in Soho. Das sagt euch nichts? Die Theaterdesignerin Miraphora Mina und der Grafiker Eduardo Lima konzipierten und erschufen die Grafiken der Harry-Potter-Welt für das Filmstudio und setzten ihre Arbeit im Rahmen vieler Designaufträge für das Franchise nach Fertigstellung der…
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LONDON – Soho, Schmelztiegel der Exzentriker
Soho zu beschreiben ist eine Aufgabe für sich. Stellt euch ein Stadtviertel vor, das sich seit Jahrzehnten vor allem durch Veränderung auszeichnet, in dem sich Geschäfte und Restaurants immer wieder neu erfinden, in dem musikalische, modische und politische Außenseiter aufeinandertreffen und in dem man sich nie sicher sein kann, ob man hinter der nächsten Tür einen Raum mit Lustern oder Rotlicht vorfinden wird. Wir wagten einen Streifzug durch diesen pulsierenden Teil Londons und begannen ihn recht zeitig am Morgen an der markanten Kreuzung „Seven Dials“ mit einem „English Breakfast“ für Vegetarier in „The Breakfast Club“. Genauer gesagt, wagte nur ich mich über diese typische Art des Frühstücks, während sich die…