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Des Kaiserpinguins neue Kleider

Kennt ihr solche oder ähnliche Situationen? Man steht mit den Kindern mitten im Winter am Bahnsteig und ein durchfahrender Güterzug hinterlässt einen unangenehmen, frostigen Luftstrom, dem man nicht wirklich entrinnen kann. „Pinguinkuscheln!“, rufe ich dann hie und da den Kindern zu, die in aller Regel grinsend angewatschelt kommen, damit wir uns gegenseitig ein wenig Wärme schenken können.

Szenenwechsel: Antarktis. – 50 °C. Windgeschwindigkeiten von bis zu 200 km/h. Brutzeit der Kaiserpinguine. Während sich die Weibchen um die Nahrungsbeschaffung kümmern, halten die Männchen auf der gut durchbluteten Oberseite ihrer Füße die Eier warm. Um zu überleben, bilden sie ein sogenanntes „Huddle“, welches in komplizierten Wellenbewegungen die einzelnen Mitglieder der kollektiven Kuschelgruppe abwechselnd von den kalten Außen- in die warmen Innenbereiche und wieder zurück manövriert. Dass ein ausgewachsener Kaiserpinguin dabei so groß wie unser aktuell jüngster Sohn mit seinen beinahe sechs Jahren werden kann, macht das Bild im Kopf noch beeindruckender.

Von der größten Pinguinart der Welt ist auch Linus (11) restlos begeistert. Kürzlich skizzierte er anhand eines Bildes, das er lange betrachtet hatte, mit dem Bleistift eine kleine Pinguinfamilie.

„Wir haben noch Aquarellfarben im Keller. Magst sie ausprobieren?“, schlug ich vor. Er hatte noch nie zuvor mit hochwertigen Aquarellfarben auf passendem Papier gemalt und freute sich riesig darüber, dass er sozusagen die „Freigabe“ für solch einen Materialschatz erhielt.

Ein Kaiserpinguinküken sollte es werden. Doch: Wie schaut ein Kaiserpinguinküken überhaupt aus? Gemeinsam betrachteten wir zahlreiche Bilder aus unterschiedlichen Perspektiven, woraufhin er einen groben Entwurf zu Papier brachte. „Den Schnabel auf meiner ersten Skizze hab‘ ich eigentlich nur geraten, Mama. Der ist in Wahrheit gar nicht so lang“, gestand er sich ein.

Es dauerte eine ganze Weile, bis Linus überhaupt ein Gespür für das Malen mit Wasser entwickelte. Er ärgerte sich. Zu nass. Zu trocken. Und eine reinquatschende Schwester, die ehrlicherweise schon viel Erfahrung mit dieser Maltechnik gesammelt hatte, konnte er an diesem Punkt auch überhaupt nicht gebrauchen.

Je mutiger er mit den Farben experimentierte und je mehr er die Zurückhaltung vor dem Nassen – der Essenz der Aquarellmalerei – verlor, umso besser gelang ihm auch die Umsetzung dessen, was er sich vorgestellt hatte. Aber kaum in Fahrt gekommen, war das Bild auch schon fertig.

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