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LONDON – „Konnichiwa“ und „Mata ne“ in London

Dass ich zur Zeit überhaupt mit meinen drei großen Kindern in London bin, ist ja eigentlich der Tatsache geschuldet, dass Laurins (17) Lieblingsdestination Japan schlicht außerhalb des für uns Leistbaren liegt, dies in Kombination mit der Tatsache, dass sich die Entfernung eines Reiseziels bei uns immer direkt proportional zur Aufenthaltsdauer verhält und unser Beruf kaum Reisen von mehr als zwei oder drei Wochen am Stück möglich macht. Sie mussten sich für einen Ort innerhalb Europas entscheiden und schafften es tatsächlich, sich eines der gefühlt teuersten Pflaster auszusuchen.

Um meinen ältesten Sohn zumindest ein bisschen japanische Luft schnuppern zu lassen, plante ich einen Tag im Zeichen des „Landes der aufgehenden Sonne“ just in jener Stadt, in der dieselbe meistens hinter dicken Wolken oder Nebelschwaden verborgen bleibt.

Gar nicht weit von unserem Appartement entfernt starteten wir unseren Tag mit einem Besuch im „Holland Park“, der kleinen Schwester des „Hyde Park“ im „Royal Borough of Kensington and Chelsea“.

Dort sind die aus Nordamerika importierten Grauhörnchen so zutraulich, dass sie einem die Nüsse aus der Hand fressen. Besonders Linus (10) hatte einen Narren an den flauschigen Dingern gefressen und hätte noch stundenlang bei ihnen verweilen können.

Leider verdrängen die nordamerikanischen Grauhörnchen das heimische Rote Eichhörnchen zunehmend. Auch auf dem europäischen Festland verbreitet sich die invasive Art mehr und mehr.

Der malerischen Parkanlage entspringt ein hierzulande einzigartiges japanisches Juwel, der „Kyoto Garden“. Als Symbol des kulturellen Austauschs wurde dieser „Park im Park“ von japanischen Handwerkern und Gärtnern gestaltet respektive errichtet und im Jahr 1991 offiziell eröffnet.

Japanische Gärten sind bis ins Detail geplant und können dennoch nie eindeutig interpretiert werden. Meist sind die Wege bewusst uneben und kurvig angelegt, um die Besucher dazu zu veranlassen, ihren Schritt zu verlangsamen und ihren Gedanken nachzuhängen.

Sie sind Orte der Meditation und der Stille, was durch die Anwesenheit der Graureiher im „Kyoto Garden“ noch unterstrichen werden soll. Besonnenheit, innere Ruhe und Tiefgründigkeit werden diesem majestätischen Vogel zugeschrieben.

Wasser spielt in japanischen Gärten fast immer eine Rolle. In fließenden Gewässern spiegelt sich in der Lehre Buddhas die Veränderlichkeit wieder. Auch Brücken haben einen festen Platz in der Gestaltung. Sie symbolisieren den Übergang von einem Lebensbereich zu einem anderen.

Steinlaternen stehen für das Element Feuer. Ursprünglich säumten sie den Weg zum nächsten Teehaus und beleuchteten dieses bei Nacht mit ihrem sanften Schein.

Obwohl der „Kyoto Garden“ in London vergleichsweise klein ist, machte es uns allen viel Freude, länger darin zu verweilen.

Nur einen Katzensprung entfernt befindet sich das „Japan House“, eines von weltweit drei japanischen Kulturzentren, in denen man nicht nur authentische japanische Produkte kaufen kann, sondern die auch japanische Restaurants sowie wechselnde Ausstellungen beherbergen.

Japanische Scheuerbürsten
Papiermodell einer Herbstszene

Im Untergeschoß besichtigten wir die Ausstellung „Looks Delicious!“. Dass es tatsächlich eine mittlerweile hundert Jahre alte japanische Kultur der naturgetreuen Essensnachbildungen gibt, war mir bis zu diesem Moment gar nicht bewusst. Diese täuschend echt aussehenden Replikas sind oft nicht vom Original zu unterscheiden.

Im interaktiven Bereich der Ausstellung „Looks delicious!“ konnten die Kinder ihre eigene Bento-Box zusammenstellen.

Verständlicherweise hatte uns allen in der Ausstellung der Magen zu knurren begonnen. Das menschliche Gehirn lässt sich einfach viel zu leicht täuschen. Seit einigen Jahren macht sich die japanische Patisserie „Sakurado“ in London einen Namen mit ihren authentisch zubereiteten Schichtkuchen, …

… auf der Zunge zerfließenden Soufflés oder bittersüßen Nama-Pralinen.

Nama

Meine Kinder waren einstimmig der Ansicht, dass „Bubble-Tea“ nicht fehlen dürfe und ich das unbedingt, zwingend und ohne Widerrede zu probieren habe. Wenigstens durfte ich auch eine Variante aussuchen, die nicht ganz so picksüß war wie der Klassiker unter den zahlreichen Geschmacksrichtungen, den Linus sich auserkor.

Linus (10) entschied sich für einen Klassiker, den „Caramel Bubble Tea“

Unsere Gehirne vollgefüttert mit Serotonin und entsprechend guter Laune machten wir uns über China Town (ganz und gar nicht japanisch, weshalb ich davon auch keinerlei Bilder in diesem Beitrag zeige) auf den Weg zu „Gosh! Comics“, einem Geschäft, das die Herzen aller Manga-Liebhaber höher schlagen lässt.

Dort stöberten die drei in den unendlichen Weiten des Comicversums (und wurden natürlich auch fündig).

Im Untergeschoß von „Gosh! Comics“ waren echte Schätze vorrätig.

Da der Tag mittlerweile schon weit fortgeschritten war, kam die Tisch-Reservierung im Anime-Restaurant „Uzumaki“ sehr gelegen. Ich hatte mich im Vorfeld lange erkundigt, welches japanische Restaurant für die Kinder den größten Wow-Effekt bereithalten würde. Von außen hätte man eher eine billig Spelunke erwartet. Die grellen Neonlichter auf schwarzer Fassade in einer zwielichtigen Seitenstraße wirkten nicht besonders einladend.

Als wir jedoch das Restaurant betraten und zu unserem Tisch geführt wurden, fielen meinen drei Manga-/Comic-Fans die Kinnladen im wahrsten Sinn des Wortes herunter.

Das Essen – nicht ganz unwichtig in diesem Kontext, hätte ich gemeint – war auch nicht von schlechten Eltern.

„Panda Senpai Ramen“
„Chainsaw Curry Udon“
Seegras-Salat
„Onigiri“
„Hanami Dango“

Zum krönenden Abschluss unseres Japan-Tages in London kann ich euch leider nicht mehr mitnehmen. Fotografieren war am Veranstaltungsort streng verboten, und die Kamera musste in der Garderobe der „Cadogan Hall“ verstaut werden.

Wer neugierig ist, was uns in diesen Hallen erwartete, der kann gerne hier reinhören: „Mugenkyo Taiko Drummers“

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