Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen!
Vor einiger Zeit erzählte ich euch in einem anderen Beitrag https://belinda.amplatz.today/freigeist/blattrankenwolken/, wie schwer es manchmal für unseren 9jährigen Sohn ist, einfach aus Lust und Freude zu malen und zu zeichnen und nicht einem selbst auferlegten Perfektionismus – mit den Bildern seiner älteren Schwester als Vorbild – zu unterliegen. Meine Aufgabe sehe ich darin, ihn zu ermutigen, ohne Ziel an die Sache heranzugehen, einfach Spaß an Farbe, Material und Technik zu haben und vermeintliche Missgeschicke als Chance zu betrachten, dem jeweiligen Bild das gewisse Etwas zu verleihen. Leider sieht der Junge das in aller Regel anders. Abstrakte Kunst? Lieber etwas Konkretes, etwas Realistisches! Großartig!
Ich kramte in unserem „Schulkammerl“ nach Büchern, die ihn unterstützen könnten, und wurde tatsächlich fündig. Als Maja es sah, meinte sie aufmunternd: „Hey, Linus, mit diesem Buch hab‘ ich damals auch angefangen zu zeichnen!“ „Wirklich?“, entgegnete Linus. Damit war das Eis gebrochen. Heilige Schwester über alles!
Gemeinsam blätterten wir uns durch die vielen Vorschläge und wieder zurück. Etwas ganz, ganz Einfaches sollte es für den Anfang sein. Na gut, den Regenwurm fand sogar Linus zu leicht, zeichnete ihn aber nichtsdestotrotz – als Aufwärmübung sozusagen mit Erfolgserlebnis-Garantie. Die Fledermaus war schon eine Spur kniffliger.
Der erste Versuch landete auch prompt in der Mülltonne. Dass die Flügel der Fledermaus bis ans Körperende reichen sollten, war Linus erst aufgefallen, als der Strich schon gesetzt war. Frust machte sich in ihm breit. Er wollte sie ja genau so zeichnen, wie es im Buch vorgegeben war. Mit dem zweiten Anlauf war er aber zufrieden. Mutig knöpfte er sich das Nashorn vor.
Es brauchte schon einiges an mütterlichen Streicheleinheiten und Umarmungen, damit er sein Vorhaben nicht leichtfertig aufgab. „Der Kopf ist zu schmal!“ „Das Bein ist zu lang!“ Aber dann! „Mama, ich will aber alle Bilder aufheben, damit ich immer wieder anschauen kann, wie es von Mal zu Mal besser geworden ist, okay?“ (Hatte ich schon einmal erwähnt, dass Linus zur Kategorie der „Jäger und Sammler“ gehört?)
Mit der Zeit begann er auch, seine Zeichnungen mit Filzstiften zu kolorieren.
„Wenn Schnecken an Schnecken schlecken, merken Schnecken zu ihrem Schrecken, dass Schnecken nicht schmecken.“
Schlussendlich hatte er einen ganzen Nachmittag damit verbracht, kleine Tierbilder zu zeichnen. Zufrieden betrachtete Linus (9) sein Werk und sagte mit einem kecken Lächeln im Gesicht und kurz angebunden, wie Männer eben sind: „War lustig!“