KÄRNTEN – Acoustic Lakeside Festival
Ganze zwanzig Jahre sind seit unserem letzten Festival ins Land gezogen.
Damals hatte ich noch kein einziges graues Haar am Haupt, dafür das eine oder andere Kilogramm weniger auf den Rippen und war noch nicht Mutter von vier so großartigen Kindern. Unverändert blieben der Mann an meiner Seite und unser gemeinsames Leben als Unternehmer.
Die Geburtstagstorte unseres jüngsten Sprösslings war kaum weggemampft, als wir gleich nach der Arbeit unser Zelt, die Schlafsäcke, eine große Portion unbändiger Vorfreude und die drei jüngeren Kinder ins Auto packten. Unser Wiedereinstieg in das Festivalleben war naturgemäß familienfreundlicher und nicht ganz so exzentrisch. Geplant war der Besuch des „Acoustic Lakeside Festivals“ am Sonnegger See in Unterkärnten.
Während mein Lieblingsmann unser mobiles Heim am Stoppelfeld errichtete, freundeten sich die Jungs gleich mit einem Burschen aus Tirol an und rannten fröhlich mit ihm über die Felder. Die Abendstunden füllten sich mit stimmungsvoller Musik, dem hellen Klang von Bierflaschen, die zum Prosten aneinandergestoßen wurden, leisem Lachen, angeregtem Geplauder und dem sirrenden Geräusch von Reißverschlüssen.
Als wir anderntags unsere Tickets gegen Armbänder tauschten und damit Zutritt zum Festivalgelände erhielten, tönte uns die jüngste Geschichte des „Vereins Acoustic Lakeside“ als musikalischer Willkommensgruß entgegen. Wir organisierten vier Bezahlkarten und statteten somit auch Maja (13) und Linus (10) finanziell soweit aus, dass sie sich zwischendurch ohne unser Zutun mit Getränken und kleinen Mahlzeiten versorgen konnten. Das Frühstück nahmen wir gleich mit zum See.
Während bestimmt an die fünfzig Festivalbesucher motiviert ihre morgendliche Pilateseinheit im flachen Wasser absolvierten und kurze Zeit später eine weitere (dieselbe?) Gruppe in gemütlichem Tempo an uns vorbei lief, zückte Maja (13) Block und Bleistift.
Eine Herzensfreundin von uns war zwischenzeitlich mit ihren beiden Kindern angekommen und wir genossen erst einmal das schöne Wetter am See, das ja laut Wettervorhersage nicht von Dauer sein sollte.
Auf den drei Bühnen herrschte schon reges Treiben. Licht- und Tontechniker waren mit den letzten Soundchecks auf den Freiluftbühnen beschäftigt und Musiker stimmten ihre Instrumente, während im Partyzelt der „Tagebuch-Slam“ zahlreiche Zuhörer anzog.
Besonders begeistert waren wir von der Auswahl vegetarischen Essens. Üblicherweise ernähren wir uns als Vegetarier auf größeren Veranstaltungen ja von Pommes Frites, Kartoffelsalat oder Mitgebrachtem. Was wir hier kulinarisch geboten bekamen, war für uns wirklich ein Novum im Festival-Kontext.
Vom ersten Regenschauer, der bereits am Nachmittag auf alle Anwesenden herniederprasselte, war niemand so wirklich überrascht. Einige Besucher ergriffen zwar vorübergehend die Flucht, der Rest packte aber gut gelaunt Regenjacken, Planen, Plastiksackerln und sonstige Hilfsmittel aus, die geeignet waren, Wasser fernzuhalten.
Am frühen Abend konnte sich die Sonne doch noch einmal kurz durchsetzen.
Die deutsche Musikerin „Catt“ präsentierte alsbald auf der Hauptbühne die ganze Spannweite ihrer Lieder. Ihr Repertoire reichte von tiefgründigen Balladen über Soul/Jazz bis zu tanzbaren Popsongs. Maja (13) war restlos begeistert und kaum mehr aus der Menschenmenge zu bekommen. Richtig sommerlich wurde es für mich dann mit dem Lied „Tortellini Tuesday“ des Stuttgarter Indie-Quartetts „Rikas“.
Je fortgeschrittener allerdings die Stunde, umso dunkler wurden die Wolken am Himmel. Aus dem anfänglich nur leise wahrnehmbaren Grollen in großer Entfernung wurde nach und nach ein bedrohliches Donnern. Während sich die feierwütige Jugend dadurch überhaupt nicht einbremsen ließ, zogen wir uns mit den Kindern zurück.
In unserem persönlichen „Tonstudio am Stoppelfeld“ überbrückten wir die Dauer des direkt krachend über uns hinwegziehenden Gewitters mit der gemeinschaftlichen Komposition einiger ungelogen äußerst genialer Lieder, die nur bedauerlicherweise niemals veröffentlicht werden.
Am nächsten Tag bahnten wir uns durch dicken Matsch den Weg zurück zum Festivalgelände. Das Glück war uns hold und damit das Zelt innen trocken geblieben.
Vor den Bühnen und Wägen war man bereits eifrig damit beschäftigt, Holzhackschnitzel auszustreuen. Es tröpfelte nur noch leicht und der Himmel versprach Wetterbesserung. Während des Frühstücks unterhielten wir uns mit netten und gut gelaunten Menschen aus aller Herren Länder.
Zwar lud das Wetter nicht so sehr zum Schwimmen ein, dafür kuschelte man sich am Lagerfeuer – mit grandioser Musik im Hintergrund – einfach etwas enger aneinander.
Einer meiner persönlichen Höhepunkte war mit dem Auftritt von „Eleni Drake“ erreicht. Ich mag ihre sentimental angehauchten Lieder und ihr ganzes Wesen, das so viel Natürlichkeit ausstrahlt.
Mein ursprünglicher Plan, das „Acoustic Lakeside Festival“ mit „Calexico“ ausklingen zu lassen, wurde von unserem Nesthäkchen „boykottiert“, und das meine ich äußerst liebevoll, denn er schlief glücklich und zufrieden auf meinem Schoß ein.
Ich bereute es nicht. Das Gegenteil war der Fall. Als Familie inmitten vieler anderer musikbegeisterter Menschen zu sitzen, die Ben Chaplan im Schein des Lagerfeuers „I’ve been missing my woman forty days and forty nights“ entgegensangen, war schon etwas ganz Besonderes.