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Warum Rentiere fliegen können …

Wie auch immer man die teils stürmische Zeit nennen mag, die in Europa durch besonders lange Nächte und eisige Temperaturen ausgezeichnet ist, so liegt ihr in jedem Fall eine gewisse Mystik zugrunde. Julfest, Weihnachten, Raunächte, Wintersonnenwende … Heidnisches vermischt sich mit Christlichem und so manche rituelle Überschneidung lässt sich aus den zahllosen Märchen, Sagen und Legenden herauslesen, die in unzähligen frostigen Winternächten bildreich erzählt und aufgeschrieben worden waren. Die „Wilde Jagd“ ist eine dieser Geschichten. Ob nun der einäugige germanische Gott der Erkenntnis Odin oder Frau Perchta, die alpenländische Göttin der Anderswelt, zum Protagonisten der jeweiligen Erzählung auserkoren wird, stets wird ein Seelenheer der Verstorbenen angeführt und ist den Lebenden geraten, sich zurückzuziehen, in der Stille zu verweilen und den Toten nicht in die Quere zu kommen. Doch sind nicht nur beeindruckende Sagengestalten Ergebnis der Verschmelzung keltischer, slawischer und germanischer Kulturen, sondern auch Symbole, Gegenstände und Pflanzen, allen voran der Fliegenpilz.

Dem achtbeinigen Pferd Odins – Sleipnir – sagt man nach, der Vater des Fliegenpilzes zu sein. Blut und Geifer, die durch seine Nüstern auf den Boden tropfen, während sein göttlicher Reiter in der Julnacht über den Himmel prescht, sollen der Samen sein, aus welchem neun Monate später zur Tag- und Nachtgleiche die signalroten Lamellenpilze sprießen. Würden diese von den Sterblichen verspeist, so sollen sie in einen Rausch verfallen, in dem sie mit Wotan kommunizieren können. Rentiere fressen übrigens tatsächlich Fliegenpilze. Sie scharren sogar im Schnee danach und sibirisch-indigene Völker trinken den Urin der Paarhufer, um eine besser verträgliche Wirkung des Fliegenpilz-Halluzinogens zu erzielen. Und waren es nicht wiederum acht Rentiere, die den Schlitten des Weihnachtsmannes ziehen? Ich schmunzle und staune gerne über die Parallelen der vielen Geschichten, die alle für sich den Anspruch erheben, der einzig wahre Ursprung der Winterfeierlichkeiten mit den tausend Namen zu sein. Und doch ist es jede einzelne wert, gehört zu werden.

Unser Jüngster (5) liebt Fliegenpilze gottlob auf eine ganz kindliche Art. Für ihn sind es einfach wunderschöne, farbenfrohe, aber giftige „Schwammalan“. Und er hatte große Lust, welche zu basteln. Gesagt, getan! Viel brauchte es dazu nicht: Eierkartons, Temperafarben, ein Pinsel und ein Wattestäbchen. Und schon konnte es losgehen!

Das Bemalen der Stiele und Hütchen ging flott voran.

Temperafarbe trocknet langsam, ist dafür aber besonders beständig. Wir ließen alles über Nacht stehen, …

… bevor die Fliegenpilze ihre Punkte erhielten.

Und schon konnten die kleinen Glücksbringer ihren Platz auf der Fensterbank einnehmen.

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