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NIEDERÖSTERREICH – Geld wie Heu

„Wenn man genug Geld hat, stellt sich der gute Ruf ganz von selbst ein“, bemerkte einst der deutsche Schriftsteller Erich Kästner. Wird man in eine vermögende Familie hineingeboren, spart man sich zudem die mühsame und zeitaufwendige Arbeit des sich Vernetzens, ganz abgesehen von eigener körperlicher Betätigung. Liest man über die verwandtschaftlichen Hintergründe und den Werdegang Richard Schoellers, so drängt sich einem das Bild von der „Butterseite“ auf. Als Kind einer erfolgreichen Industriellenfamilie, die ihr Geld mit Zucker, Bier, dem Bergbau, Papier und Textilien sowie Banken (Schoellerbank) machte, flogen ihm lukrative Geschäfte wohl Zeit seines Lebens zu. Ich bin diesem Mann nichts neidig. Der niederländische Universalgelehrte Erasmus von Rotterdam erkannte schon im 16. Jahrhundert: „Doch der Besitz verschafft Freunde. Das gebe ich zu; aber falsche, und er verschafft sie nicht dir, sondern sich.“

Nach seinem Studium der Agrarwissenschaften trat Richard Schoeller im Jahr 1900 zunächst als Gesellschafter in das Wiener Groß- und Handelshaus „Schoeller & Co.“ ein, bevor er sich um die Expansion der Schoeller’schen Stahlwerke kümmern sollte. Die Familiendynastie hatte die ehemaligen Eisenwerke in Hirschwang an der Rax erworben. Nachdem der Bergbau Ende des 19. Jahrhunderts aber zunehmend weniger ertragreich geworden war, initiierte Richard Schoeller eine Umstrukturierung der Produktion in Hirschwang. Nach der Verlegung des ortsansässigen Stahlwerkes wurden die regionalen Anlagen zur Kartonfabrik umgebaut.

Um seiner Familie eine angemessene Heimat bieten – Richard Schoeller war zwischenzeitlich in den Adelsstand erhoben worden -, aber auch, um seinen zunehmenden Repräsentationsansprüchen gerecht werden zu können, ließ er in Hirschwang eine Villa im neobarocken Stil errichten, deren Fertigstellung im Jahr 1905 erfolgte.

Villa Schoeller in Hirschwang

All das wussten wir nicht, als wir ein Appartment just in diesem Herrenhaus buchten. Das Gebäude war in die Jahre gekommen und schon seit geraumer Zeit nicht mehr im Familienbesitz der Schoellers. Der neue Hausherr Johannes Ribeiro da Silva – ein Niederösterreicher mit portugiesischen Wurzeln – begrüßte uns nicht selbst. Sein Bruder hieß uns willkommen und erzählte uns, wie sehr die Villa vor allem in den 70er Jahren in Mitleidenschaft gezogen und beinahe dem Verfall preisgegeben worden war. Die Familie da Silva wolle einige Bausünden der letzten Jahrzehnte ausmerzen und die Villa wieder auf Vordermann bringen. Dazu packe man selbst an, kratze Dispersionsfarbe von den Wänden, um diese im historischen Sinn wieder mit Kalkputz zu versehen, schleife Böden ab und entrümple die Räumlichkeiten.

Untergebracht waren wir im obersten Geschoß der Villa. Über eine geräuschvolle Metalltreppe stapften wir hinauf und fühlten uns in den hohen Räumen gleich wohl.

Über ein Strukturglasfenster fiel zusätzliches Licht in die innenliegenden Gänge des Appartments.

Als wir es öffneten, hatten wir direkten Blick auf die Oberseite einer Lichtdecke, die wiederum den Sinn hatte, den repräsentativen Empfangsraum im Erdgeschoss der Villa zu erhellen.

Die Lichtdecke war vor äußerer Witterung durch ein darüber liegendes und von einer Metallkonstruktion getragenes Glasdach geschützt.

Wir erfuhren so manches interessante historische Detail über die Liegenschaft. So verfügt die Villa beispielsweise bis heute über keinen Wasserzähler und bezieht das Wasser nach wie vor kostenlos. Die Familie Schoeller war zur Zeit der Errichtung der I. Wiener Hochquellenleitung Eigentümer zahlreicher für den Bau relevanter Liegenschaften. Ohne die Zusicherung der unentgeltlichen Wassernutzung auf ewige Zeit hätte die Wiener Wasserversorgung möglicherweise nicht so ohne weiteres auf dieser Linie erfolgen können. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass dies die einzige Gegenleistung war.

Gerne ließen wir uns auch das Empfangsfoyer der Villa zeigen.

Der Saal war ein wenig verstaubt, gewiss, aber dennoch geeignet, sich die Stimmung vorzustellen, die vor 120 Jahren herrschen musste, wenn reiche und einflussreiche Menschen der Region zusammenfanden, um über zukünftige Geschäfte zu sprechen.

Ob es damals einem kleinen Richard Schoeller als Kind erlaubt gewesen wäre, „Bruder Jakob“ am Flügel zu spielen? Maja und Linus war das einerlei. Im Kanon erklang das Kinderlied auf einem nur leicht verstimmten Klavier und brachte Leben in das Gemäuer.

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