
Es ist alles Gold, was glänzt.
Menschen als wertvolle Individuen mit ihren jeweiligen höchstpersönlichen Stärken zu betrachten, fördert ein gedeihliches Zusammenleben. Bei einer differenzierten Betrachtungsweise über den Wert jedes Einzelnen in einer Gesellschaft darf man sich seines eigenen Platzes bewusst werden, ohne in anmaßende Hybris zu verfallen. Gleichzeitig darf man erkennen, dass einem die Talente der anderen nicht nur nützlich sind, sondern diese das eigene Leben vielfältig bereichern und sei es nur, weil sie einen Perspektivenwechsel auf die Dinge und Angelegenheiten des Alltags ermöglichen.
Für mich persönlich kristallisierte sich im Laufe meines Lebens heraus, dass die Ausgewogenheit zwischen dem Dienst an der Gesellschaft (respektive dem Partner und der Familie) und dem Dienst an sich selbst die Essenz ist, die einem Zufriedenheit beschert.
Seine Kinder auf ihrem Weg zu begleiten, herauszufinden, welcher Dienst derjenige ist, der sie erfüllt oder in Zukunft erfüllen könnte, ist eine großartige und wundervolle Aufgabe, wenngleich ich auch der Überzeugung bin, dass unser aktuelles Bildungswesen mit ihrer stetig abnehmenden Autonomie für Schulen und Eltern das Hervorheben ihrer Potentiale tendenziell eher hemmt (in manchen Fällen sogar verhindert) als unterstützt. Unsere Jugend wird vor allem in Beschäftigung gehalten. Ihre Tage werden nicht selten mit für sie Wertlosem vollgepackt wie Kartons mit Luftkammermatten. Als „wertvolles Packgut“ sind die jungen Menschen dann inmitten der vielen Luft eingequetscht und in ihrer körperlichen und mentalen Bewegungsfreiheit eingeschränkt und sollen so unbeschadet zu jenem „Bahnhof“ transportiert werden, an dem der Zug ins eigenständige Leben als Erwachsener abfährt. Ihr langjähriges Jugendleben in der „ausgepolsterten Kiste“ überstehen vor allem jene gut, die Energie daraus schöpfen können, den „Dienst an der Gesellschaft“ über den „Dienst an sich selbst“ zu stellen und Selbstentfaltung sowie das Finden der persönlichen Ausgeglichenheit in den Hintergrund zu rücken. Das Lob und die Anerkennung des Lehrers und der Eltern von außen nehmen oft den Platz ein, der zumindest zum Teil auch von innerer Harmonie als Resultat des Dienstes an sich selbst gefüllt sein sollte. Und dabei nehme ich uns gar nicht als „Platzhalter“ aus. Wie oft vergessen wir selbst im Hamsterrad des täglichen Einerleis, dass wir besser beraten wären, unseren Kindern weniger Anerkennung für die von außen aufoktroyierten Lehrplanaufgaben zukommen zu lassen, die meist ohnehin nur kurzfristige „Bonuspunkte“ am Zeugnis der Schule bringen, und stattdessen ihre individuellen Fähigkeiten auch außerhalb staatlicher Lehrpläne wahrzunehmen, die geeignet sind, langfristige „Bonuspunkte“ am inneren, für sich selbst erstellten Zeugnis des Lebens zu bewirken? Welche Gabe umgibt eure Kinder und lässt sie selbst und ihr gesamtes Umfeld aufblühen? Womit machen eure Kinder die Welt reicher? Sind es
- ihre Hände als „Macher“,
- ihre analytischen Fähigkeiten und das Wissen als „Denker“,
- ihre Emotionen als „Helfer und Begleiter“,
- ihre Körperkraft als „Sportler, Trainer und Beschützer“,
- ihre Kreativität und der Schaffungsgeist als „Gestalter und Geschichtenerzähler“ oder
- ihre geradlinigen Strukturen als „Organisatoren und Ermöglicher“?
Dass unsere Tochter eine musisch-kreative Ader hat, war für uns früh erkennbar.

Sie darin zu unterstützen, möglichst viel ihrer Zeit dem Malen, Gestalten und Musizieren zu widmen, bedeutete zeitgleich, immer wieder Entscheidungen zu treffen, welche anderen (staatlich vorgeschriebenen) Lerninhalte hintan gestellt werden können. „Mut zur Lücke“ lautete die Devise.
Was Maja (14) genau links liegen ließ, um ihren Goldfisch zu malen, kann ich gar nicht mit Gewissheit sagen. „Lineare Funktionen“, „reflexive pronouns“ oder die „vocabulaire de la troisième unité“ dürften aber starke Anwärter für den ersten Platz am Podest der Wozu-Brauche-Ich-Das-Überhaupt-Jemals-Im-Leben-Dinge unserer Tochter gewesen sein. Noch spät am Abend skizzierte sie stattdessen grob ihr Bild und …

… griff gleich darauf zu ihren Aquarellfarben, um dem Flossentier den ersten Farbanstrich zu verpassen.




Tags darauf erstellte sie dann eine Farbkarte zu den neuen Metallic-Aquarellen, die ich besorgt hatte.


Auf dieser Basis wählte sie dann denjenigen Farbton, der den Goldfischschuppen den passenden Glanz verpassen sollte.

Doch damit nicht genug! Den letzten Schliff erhielt Majas GOLDfisch durch das Aufbringen von echtem Blattgold.

Was meint ihr? Hätte unsere Künstlerin die Zeit lieber in Mathematik investieren sollen? Welchen Mehrwert hätte ein „Befriedigend“ statt eines „Genügend“ in einem Fach, das sie ohnedies nicht liebt? Und dass sich die Schwimmbahnen eines Goldfischs definitiv nicht durch eine lineare, sondern bestenfalls durch parametrische Funktionen beschreiben lassen, kann sie sich ja irgendwann einmal von einem feschen Mathestudenten während einer Bootsfahrt gen Sonnenuntergang erläutern lassen 😉


