FreiGepäck

ITALIEN/TOSKANA – Cala Violina

Der karge, wildromantische Küstenstreifen im Süden der Toskana ist im September besonders reizvoll. Wenn die Farbe der Früchte der knorrigen Olivenbäume – die Äste von deren Gewicht schon schwer zu Boden geneigt – langsam von grün zu violett wechselt, wenn die Zeit der Weinlese gekommen, wenn die Luft schon kühler, aber das Meerwasser noch warm ist, wenn die Touristenmassen wieder an ihren Schreibtischen und ihre Kinder an den Schulbänken hocken, gehört die Maremma wieder den Italienern. Das Tempo ändert sich – sowohl in der Arbeit als auch in der Sprache -, als hätte man es mit wechselwarmen Amphibien zu tun, die sich an die Umgebungstemperatur anpassen.

Für uns würde in Kürze der letzte Tag an der Küste des Tyrrhenischen Meeres anbrechen, bevor es für zwei weitere noch einmal landeinwärts gehen sollte. Maja (13) war erfreulicherweise wieder quietschfidel, was man an der Anzahl ihrer gesprochenen Worte pro Minute festmachen konnte.

Da Linus (9) ein Fan der Optik von Granatäpfeln ist, selbst aber noch nie zuvor davon gekostet hatte, wollte ich ihn mit einem passenden Essen überraschen.

Die Rezeptidee – Krautsalat mit Feta und Granatapfelkernen – hatte ich von der Frau eines Freundes geklaut (danke Alice). Maja löste die Granatäpfelkerne in sorgfältiger Detailarbeit aus den bitteren weißen Zwischenhäuten und half mir beim Anrichten, …

… während Linus im Garten des Appartments Mandalas aus gefundenen Naturmaterialien legte.

Am darauffolgenden Morgen wurden gleich nach dem Frühstück sowohl Bade- als auch Provianttasche für einen ganzen Tag am Meer gepackt. Mein Mann war wieder voll einsatzfähig, dafür war der ausgewählte Strand unseres letzten Planschtages ausschließlich nach einem längeren Fußmarsch zu erreichen. Es schadete also nicht, auch dieses Mal auf das Gewicht unseres Gepäcks zu achten.

Ein Platz an der Cala Violina – der Violinbucht – muss seit nicht allzu langer Zeit von Mai bis September eines Jahres vorher gebucht und bezahlt werden (EUR 10,00 pauschal – gilt auch als Parkgebühr – sowie je EUR 1,00 für alle Personen über 12 Jahren). Es gab bei erstmaliger Einführung dieser Regelung zwar einen verärgerten Aufschrei der Einheimischen, die diese Regelung gleichermaßen betrifft, dieser sollte aber ungehört verhallen. Die Behörden wollten offenbar die „Ansammlung größerer Menschenmassen“ verhindern – zuerst wegen einer weltweit grassierenden Viruserkrankung, deren Name mir just nicht einfallen will, später einfach so. Jetzt war immerhin schon alles perfekt eingerichtet, Überwachungspersonal eingestellt, Schranken aufgestellt und Mülltonnen wegen der Wildschweine entfernt. Da wird man doch nicht alles wieder rückgängig machen.

Ich verdrängte dieses Bürokratie-Monster aus meinen Urlaubsgedanken. Wir freuten uns auf die Bucht und wollten mit eigenen Ohren hören, ob und wie sehr der Sand der Cala Violina tatsächlich Geigenklängen ähnelt. Zuvor hieß es aber, anderthalb Kilometer auf Schusters Rappen mit den Kindern zurückzulegen.

Die Bucht liegt inmitten des 9.000 Hektar großen Naturparks „Bandite di Scarlino“. Nach dem Fußmarsch durch die aromatische, mediterrane Macchia eröffnet sich der Blick auf einen beinahe weißen Sandstrand inmitten zweier langgezogener Vorgebirge.

Wie so oft zog es uns aber an jenes Ende des Sandstrands, das von Felsen übersät war. Hier lässt es sich einfach besser herumkraxeln.

Zudem wiesen die rötlichen Steine von Zeit zu Zeit wunderschöne Muster, Formen und Maserungen auf, die schon fast hypnotisch auf mich wirkten.

Es war herrlich und wir genossen die Stunden, pendelten zwischen den felsigen und sandigen Bereichen hin und her, aßen hier und da eine Kleinigkeit, lasen ein paar Seiten in den mitgebrachten Büchern (so weit darf dann „Gewicht sparen“ doch nicht gehen), sahen den Kindern beim Tauchen zu und beobachteten die Segelschiffe, die nahe der Bucht vor Anker gingen.

Ganze Wiesen aus Neptungras tauchten immer wieder aus den Wellen hervor. Und was ist mit dem Violinenklang des Sandes, von dem schon Marco Polo zu berichten gewusst haben soll? Nun: Mit viel Fantasie lässt sich das Quietschen, das beim Barfußlaufen über den feinen Sand erzeugt wird, als Musik interpretieren 😉

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