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KROATIEN – Dolovo, das verlassene Dorf

Irgendwann holt sich die Natur wieder alles zurück. In ihrem endlosen Kreislauf sind wir Menschen nur ein klitzekleines Rädchen, das jeden Tag ziemlich viel Energie darauf verwendet, damit es nicht von Gras und Gestrüpp überwuchert oder von Ameisen, Obstmücken und Fliegen übermannt wird.

Im Jahre 1880 lebten im kleinen Dörfchen Dolovo auf der kroatischen Insel Krk immerhin noch dreißig Menschen. Diese Zahl nahm seitdem sukzessive ab. Die Dorfbewohner suchten vor allem ab Beginn des 20. Jahrhunderts Arbeit, Glück und Frieden im Ausland. Die Einwohnerzahl schrumpfte bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs auf die Hälfte. Seit den 80er Jahren ist Dolovo unbewohnt und der Wald streckt seine kräftigen Zweige nach den Überresten der menschlichen Siedlung aus, treibt seine Wurzeln in Gestein und Gebälk und bedeckt einstige Wohnträume mit einer warmen und weichen Moosschicht.

Das eine oder andere Utensil war zurückgelassen worden.

Dort, wo vor wenigen Jahrzehnten noch Dächer vor Regen und Hitze schützten, lassen sich heute der Himmel bei Tag und die Sterne bei Nacht erblicken. Die Sonne strahlt direkt von oben an Stellen, wo vielleicht einmal ein Kinderbett stand oder eine Truhe mit Hausrat.

Bei unserer Erkundungstour ließ sich ein Eingang zu einem Erdkeller bloß noch erahnen. Was dort wohl an Vorräten gelagert worden war? Wir entdeckten bei unserem Rundgang einen vergleichsweise gut erhaltenen, aber massiv einsturzgefährdeten Viehstall.

In meinem Kopf entstanden Bilder einer gut versorgten Familie, und der imaginäre Geruch von Schafkäse und Wurzelgemüse stieg in meine Nase.

Nicht weit entfernt hatten wir auch eine ergiebige Trinkwasserstelle gefunden – keine Selbstverständlichkeit in Kroatien, schon gar nicht auf einer Insel.

Wer weiß? Vielleicht wartet diese Dornröschensiedlung nur darauf, von einem Prinzen wachgeküsst zu werden?

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