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KROATIEN – „Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen.“ (J. W. von Goethe)

Sobald man, mit dem Entschluss im Kopf, eine Wanderung zu beginnen, den ersten Schritt tut, lichten sich peu à peu die oft trüben Gedanken und lähmenden Sorgen, die einen – hoffentlich nur gelegentlich – im Leben begleiten. Je beschwerlicher dabei der Weg ist, desto freier wird der Kopf – so zumindest nach meiner Erfahrung. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass ein Fußmarsch nicht von Anfang an mit seelischer Leichtigkeit einhergehen kann. Ganz egal, wie die mentale Verfassung auch beim Losgehen sein mag, mit Gewissheit ist sie am Ende des Weges nicht schlechter als beim Aufbruch.

Als wir oberhalb des Städtchens Baška auf der Insel Krk unser Auto parkten und noch einmal die Wasservorräte in den Rucksäcken überprüften, wussten wir noch nicht genau, wohin uns unsere Füße tragen würden. Unsere beiden jüngeren Kinder (gerade 6 und 11 Jahre alt), die uns begleiteten, marschierten schnurstracks voran. So blieb kaum Zeit, den Ausblick auf das einst kleine Fischerdorf zu erhaschen, das heute zu einem vielbesuchten Urlaubsort herangewachsen ist.

Blick auf Baška

Ein traumhafter Herbsttag mit klarem Himmel, ruhigem Seegang und angenehmen Temperaturen um die 20 °C versprach ideale Bedingungen für eine Wanderung. Anfangs noch einem erdigen Waldpfad folgend wurde der Weg bald steiniger und begleitet von oft mannshohen „Gromače“, jenen typisch kroatischen Trockensteinmauern, die das gesamte Landschaftsbild prägen. Diese Zeugen des mühsamen Alltags der Inselbewohner bestehen aus jenen Steinen, die mühevoll von Hand fortgeschafft werden müssen, um eine Landfläche überhaupt nutzbar machen zu können.

Wir folgten dem felsigen, von duftender Macchia gesäumten Weg Richtung Osten und erreichten schon nach kurzer Zeit …

… die „Uvala Bunculuka“.

Ein kurzer, schmaler Betonsteig – zur Linken eine beinahe senkrechte Steilwand, zur Rechten im Kontrast dazu das sanfte Meer – führte zu einem malerischen Klippenwanderweg. Das anfängliche Gequassel der Kinder verstummte im gleichen Ausmaß wie ihre Konzentration stieg. Wenn sich der Pfad nicht durch klippennahe Pinien-Baumgruppen schlängelte, verlief er direkt am Felsen. Oft klafften einige Meter Abgrund zwischen dem auf steinigem Untergrund lediglich erahnbaren Wandersteig und dem Wasser unter uns. Gutes Schuhwerk und absolute Trittsicherheit waren hier indiskutable Grundvoraussetzung. Unsere Jungs waren jedenfalls selig und bewegten sich flink und geschickt auf dem anspruchsvollen Untergrund. Der knifflige Teil der Tour dauerte nicht allzu lange. Bald schon verlief die Strecke wieder auf sicherem Boden.

Wunderschöne weiße geologische Ader im rötlichen Gestein

Am weitläufigen Kiesstrand „Vela Vrženica“ gönnten wir uns eine kleine Rast.

Unter den Schatten spendenden Pinien genossen wir die mitgebrachte Jause und teilten uns nach dem gemeinsamen Essen auf. Ein Teil der Familie wagte einen Sprung ins doch schon recht kühle Meer, ein anderer Teil döste ein Viertelstündchen und erfreute sich an der Ruhe, die nur hie und da vom Schrei einer Möwe unterbrochen wurde.

Im hinteren Teil des Strandes begann der Wanderweg durch den „Kanjon Vrženica“ und wir beschlossen, diesen in Angriff zu nehmen und so zurück nach Baška zu gelangen.

Der Eingang zur Schlucht war zu Beginn noch recht weitläufig, gesäumt von Ginster, Salbei, Wacholderbüschen und Glockenblumen.

Bald jedoch wurde die Klamm enger und man erkannte den tief in den Kalk eingeschnittenen Wasserweg, der gerade vollständig ausgetrocknet war.

Meine Kamera musste wieder in den Rucksack wandern. Im weiteren Wegeverlauf musste man zweifellos freie Hände haben, um die teilweise drei bis fünf Meter hohen Kletterpassagen gut meistern zu können. Hie und da gab es Steighilfen, zum größten Teil musste man sich aber selbst auf die Suche nach geeigneten Griffen und Tritten begeben. Da die immer schroffer werdenden Wände der Schlucht nur wenig Tageslicht zum Boden ließen und wir nicht einschätzen konnten, wie viel Zeit die Kletterei noch in Anspruch nehmen würde, hielten wir die Kinder dazu an, zügig zu gehen. Ihren Spaß hatten die Jungs trotzdem oder vielleicht genau deshalb. Wie die Steinböcke kraxelten sie behende aufwärts.

Als die Sonne schon sichtlich tief am Himmel stand, zweigte endlich ein Pfad Richtung Baška ab. Wir hatten insgeheim schon befürchtet, dass wir in der Dunkelheit unseren Weg durch unwegsames Gelände würden suchen müssen. Doch am Rücken des Lubinin wirkte das Abendlicht gleich viel heller und freundlicher als in der tiefen Klamm.

Gerade als die Sonne sich dem Horizont zu nähern begann, erreichten wir glücklich unseren Ausgangsort mit dem Gefühl im Herzen, diesen Teil der Insel wirklich erlebt zu haben. Mein Mann und ich waren sehr stolz auf die Kinder. Die kleinen Beinchen unseres Sechsjährigen hatten sicher doppelt so viele Schritte zurückgelegt wie wir selbst, und sein älterer Bruder hatte geholfen, die Zeit für den Kleinen mit Spiel und Spaß kurzweilig zu gestalten. Was für ein tolles Team!

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