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SALZBURG – Kreuzottern am Seewaldsee

Die Bildung unserer Kinder in unsere eigenen Hände zu nehmen, ist uns schon viele Jahre wichtig und ein großes Anliegen. Als ich vor zwei Jahrzehnten den Dachboden meiner Eltern von meinen Schulsachen befreite, war ich erschüttert, wie umfangreich meine Mitschriften und wie gering meine Erinnerungen an deren Inhalte waren. Mehrere bis zum Bersten gefüllte Umzugskartons landeten schließlich im Altstoffsammelzentrum. Aus meinen Skripten wurde somit bestenfalls dreilagiges Recycling-Klopapier.

In meinen Augen – und damit stehe ich nicht alleine da – verhindern die Lehrpläne in Österreich oftmals, dass sich Kinder für ein Thema so richtig begeistern können. Entweder die vorgesehenen Themen werden zu kurz behandelt oder aber zu lang. Was die einen schon im Alter von sechs Jahren interessiert, greifen die anderen erst mit neun Jahren auf (oder gar nicht). Fast immer werden die einzelnen Bereiche aber viel zu theoretisch vermittelt. Dabei habe ich durchaus Verständnis für die Pädagogen, die oftmals Weisungen erhalten, die die Verwaltung des Lehrens mehr zum Inhalt haben als das Lehren selbst, die nur noch versuchen, viel zu große Klassen irgendwie zusammenzuhalten und sich durch Personal- und Materialmangel regelmäßig doch wieder genötigt sehen, zu Frontalunterricht und Arbeitsblatt zu greifen.

Wann immer es uns möglich ist, bieten wir daher unseren Kindern die Möglichkeit, durch Erfahren, Erleben und Angreifen zu lernen statt durch das pure Führen von Stiften auf Papier.

Das Biologie-Thema „Reptilien und Amphibien“ übt naturgemäß große Faszination auf viele Kinder aus. Aber selbst da ist es noch einmal so eindrucksvoll, wenn man die Tiere in freier Wildbahn beobachten kann und jemanden zur Seite gestellt bekommt, der für die Materie brennt und imstande ist, das Feuer des Interesses bei den Kindern (und auch uns Erwachsenen) zu entfachen. Werner Krupitz ist genau so ein entFachmann https://www.artenreich.at/ und die Entscheidung war schnell getroffen, an seiner Exkursion „Kreuzottern am Seewaldsee“ teilzunehmen.

Wir hatten eine kleine Ferienwohnung in St. Koloman bei Salzburg angemietet und waren bereits am Abend vorher angereist. Für unsere Kinder ist das Übernachten an fremden Orten immer wieder aufregend.

Maja half beim Zubereiten des Abendessens. Als wir in der Abenddämmerung vom Küchenfenster aus auch noch einen Rehbock beobachten durften, waren die Kinder selig.

Am nächsten Morgen hieß es früh aufstehen, Jause richten und Rucksäcke packen. Der Weg zum Seewaldsee war von unserer Unterkunft aus nicht sehr weit. In wenigen Minuten waren wir vor Ort.

Als die Truppe vollzählig war, schlug Werner vor, recht zügig vom Treffpunkt am Parkplatz bis zum Seewaldsee zu marschieren. Die Regenwolken des Vortages hatten sich beinahe vollständig verzogen und er wollte im Kreuzottern-Gebiet sein, bevor es zu heiß wurde.

Unsere erste Zwischenstation machten wir an einem kleinen, langsam fließenden Rinnsal, wo unser Exkursionsleiter mit fachmännischem Griff und genau wissend, wo er suchen musste, zwei Feuersalamander-Larven aus dem Wasser holte.

Wir erfuhren, dass man die Feuersalamander-Larven leicht von anderen Schwanzlurch-Larven unterscheiden kann. Erstere haben nämlich weiß-gelbe Flecken an der Stelle, wo die Beine am Körper ansetzen. Werner erzählte allerhand Spannendes über Lebensraum und Gefährdung der Feuersalamander. Dann wurden die zwei Exemplare wieder ausgesetzt.

Nur wenige Meter weiter wurde unser Exkursionsleiter dann auch schon fündig, was die Kreuzottern betraf. Mit einem prächtigen Weibchen kam er wieder zur Gruppe zurück und man sah ihm an, dass er erleichtert war, hatte er damit immerhin das Ziel der Exkursion erreicht. Die Kinder durften das Reptil vorsichtig berühren, während er die Beulen im Maul der Schlange zeigte, unter denen die Giftzähne verborgen lagen.

Um das Tier nicht allzu lange zu strapazieren, ließ er es bald wieder dort frei, wo er es gefunden hatte. Schnurstracks verkroch sich die Schlange in der Erdhöhle, aus der sie gekommen war. Niemals wäre ich außerhalb dieser Exkursion auf den Gedanken gekommen, dass direkt an der Wegböschung Kreuzottern leben könnten.

Allerdings hätte ich am kleinen Bach unterhalb der Böschung auch keine Steinkrebse vermutet und doch wurde Werner mit einem fachmännischen Griff unter die Steine sofort fündig.

Steinkrebse benötigen sauberes, klares, kühles und kalkreiches Wasser, leben oft in Quellregionen oder Waldbächen und stellen sozusagen einen Indikator für sauberes Wasser dar. Durch die Einschleppung des sogenannten Signalkrebses, der Überträger der Krebspest ist und heimische Krebsarten leider mittelfristig verdrängt, sind alle in Österreich beheimateten ursprünglichen Krebsarten vom Rückgang bedroht.

Unser Weg führte uns immer näher an den Seewaldsee heran.

Der kleine Bergsee ist aufgrund seiner Moor- und Sumpfvegetation ökologisch von Bedeutung. Ein ideales Umfeld auch für die Ringelnatter, die wir auch in Kärnten immer wieder antreffen – meist schwimmend in einem unserer wunderschönen Seen.

Die Ringelnatter ist ein ganzes Stück länger als die Kreuzotter. Ausgewachsene Ringelnattern werden
80-120 cm lang, wohingegen die Kreuzotter nur 50-90 cm lang wird. Die beiden gelben Halbmonde am Nacken dieser ungiftigen Schlange sind wohl das eindeutigste Merkmal, anhand dessen auch unsere Kinder das Reptil schon zuverlässig bestimmen können.

Wenn eine Ringelnatter unter Stress steht (zB, wenn Werner sie fängt und festhält), sondert sie ein übelriechendes Sekret ab. Außerdem – das konnten wir eindrucksvoll beobachten – macht sie sich ganz platt und wirkt dadurch viel größer, als sie in Wirklichkeit ist.

Auch diese Schlange war bald wieder in Freiheit und tauschte ihren Platz in den Händen unseres Exkursionsleiters mit zwei Kollegen aus der giftigen Fraktion – Kreuzotter-Weibchen und Kreuzotter-Männchen.

So unmittelbar nebeneinander waren die Geschlechterunterschiede natürlich traumhaft zu erkennen. Das Männchen verfügte über eine kontrastreichere Färbung und war insgesamt schlanker als das trächtige Weibchen.

Natürlich wurden auch diese beiden Prachtexemplare wieder dort ausgesetzt, wo sie gefunden wurden.

Werner hatte sich auch noch auf die Suche nach einer Höllenotter begeben, die blieben aber im Verborgenen.

Wir machten eine halbstündige Rast auf der „Auerhütte“ und hatten Glück, dass unser Großer (14) rechtzeitig mit der Geldbörse zu uns zurückgekehrt war. Die Aussicht auf ein kühles Zuckergetränk mit Kohlensäure hatte ihn motiviert, nach halber Strecke zum Parkplatz zurückzukehren, um das Geld zu holen, das wir im Auto vergessen hatten. Nachdem wir uns alle gestärkt hatten, führten wir unsere Wanderung fort. Die losen Steinmauern bieten ganz allgemein ideale Rückzugsorte für Bergeidechsen, von denen wir gleich mehrere beobachten konnten.

Nah an unserem ursprünglichen Ausgangspunkt machten wir noch einen kleinen Abstecher waldeinwärts und hielten an einem unauffälligen Tümpel, der unter anderem die Larven von Bergmolchen beheimatete. Diese Amphibien haben einen leuchtend orangen Bauch, der von oben betrachtet überhaupt nicht erkennbar ist.

Und auch das letzte Tier unserer Exkursion verfügt über eine Warnfärbung auf seiner Unterseite, die Fressfeinde abschrecken soll: die Gelbbauchunke. Mit ihrem Blick aus den herzförmigen Pupillen beschloss sie unseren tollen Ausflug in die Welt der Reptilien und Amphibien.

Für uns alle hat sich die Fahrt nach Salzburg gelohnt. Diese Eindrücke kann kein Biologiebuch der Welt ersetzen!

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