Weihnachten ohne Kaufzwänge V 1.0 – Der Brief
Das zweite Corona-Jahr geht zu Ende und uns kommt es so vor, als würde es von Woche zu Woche verrückter werden in Europa. Christkindlmärkte hinter Gittern, Geschenke einkaufen nur für Menschen, die sich mittels 2G-Regelung am Eingang „gesund“ beweisen können und Absage aller Weihnachtskonzerte – so schaut die Weihnachtszeit 2021 aus. Österreich treibt es dabei ganz besonders an die Spitze und verlängert den „Lockdown für Ungeimpfte“. Ex lege haben wir als ungeimpfte Familie Ausgangssperre und dürfen unsere Häuser nur bei Vorliegen bestimmter Gründe verlassen. Nun, einer der Gründe ist die „psychische und physische Erholung an der frischen Luft“. Und die brauchen wir eigentlich ununterbrochen.
Nun wäre es schon irgendwie machbar gewesen, trotzdem zu Geschenken für die Kinder zu kommen. Wir hätten Amazon nutzen können oder irgendeinen anderen Riesenkonzern, sogar mit 24-Std.-Lieferung. Sicher hätten wir auch die geimpfte Verwandtschaft anbetteln können, doch für uns etwas mitzubesorgen. Auch die regionalen Händler wären froh gewesen, wenn wir online bei ihnen bestellt hätten. Viele stellen das Gekaufte zu, manche bieten sogenanntes „Click & Collect“ an. Aber irgendwie war es uns zu blöd, den Eindruck zu erwecken, als stehe die Bevölkerung hinter diesem ganzen Maßnahmenirrsinn und wäre es schlussendlich ja doch nicht so schlimm für die Wirtschaft und die Menschen. Dann stünde in zwei Wochen in den großen Gazetten zu lesen: „Wirtschaftseinbruch weniger stark als befürchtet“ und man hätte Grund genug, im Jänner 2022 auch den 5. Lockdown für alle zu verordnen. Je weniger die Wirtschaft nach außen hin leidet umso „verhältnismäßiger“ scheint diese Maßnahme ja zu sein. Konsumboykott schien uns also als Teil des zivilen Ungehorsams angemessen.
Dazu kam noch die Überlegung, dass wir endlich einmal in die Praxis umsetzen konnten, was wir unseren Kindern jedes Jahr an Weihnachten in der Theorie vorgebetet hatten: demütig zu sein und teure Geschenke nicht als Selbstverständlichkeit zu betrachten. Üblicherweise bekamen die Kinder jeweils EINEN richtig großen Wunsch erfüllt und evtl. noch ein Buch oder eine andere Kleinigkeit als Draufgabe. Unmengen an Paketen gab es ohnedies nie in unserem Haus. Dieses Jahr sollte noch einmal alles anders sein. Unser Ziel war es, für Geschenke keinen Cent zur Weihnachtszeit in die Wirtschaft zu stecken. Stattdessen überlegten wir uns, was wir aus bereits Vorhandenem zaubern könnten, um jedem unserer Kinder eine kleine Freude zu bereiten.
Die Kids waren eingeweiht, und wenn auch unser Teenager ein wenig grummelte (er hatte mit einer Nintendo-Switch geliebäugelt), gab es im Großen und Ganzen kein großartiges Murren und Raunzen, sondern viel Verständnis. Ein weiteres Argument war ja auch gewesen, dass wir ungern noch mehr Zeug für die Verschiffung verpacken möchten, sollte uns tatsächlich wegen der allgemeinen Impfpflicht ab Februar 2022 das Exil drohen (wobei wir ja nach wie vor optimistisch sind, dass sich unser vielfältiger Widerstand bezahlt machen wird).
Einzig unsere 11jährige Tochter hatte einen konkreten Wunsch geäußert: Sie wünschte sich einen Brief.
Das klingt im ersten Moment total einfach. Schlussendlich musste ich aber wirklich lange grübeln, was man denn als Mutter in so einen Brief schreiben könnte. Immerhin bedient unsere Süße zu hundert Prozent das weibliche Klischee, mindestens tausend Wörter in der Minute sprechen zu müssen, um glücklich zu sein. Schon als zweijähriges Mädchen hörten wir ihr Stimmchen ununterbrochen. Man verstand zwar kein Wort, aber sie hörte sich selbst einfach immer schon gern. Und wenn sie keine vermeintlich sinnlosen Silben in Kleinkindermanier aneinanderreihte (Wer kann in so ein kleines Köpfchen schon reinschauen? Womöglich hatte sie damals schon staatstragende Reden im Kopf?), sang und summte sie vor sich hin. So hatte ich das Gefühl, es sei einfach alles zwischen uns gesagt und es gäbe nichts weiter, was ich ihr in einem Brief mitteilen könnte.
Ich beschloss, vor allem auf die Dinge einzugehen, die ich an ihr besonders schätze und nahm die Gelegenheit beim Schopf, ein dickes „Danke“ nicht nur so nebenbei zu sagen, sondern ihr in wertschätzenden Worten schriftlich für die Ewigkeit zu schenken.
Und ich fühle, dass ich die richtigen Worte gefunden habe. Als Maja nach dem Auspacken den Brief der Familie laut vorlas, kamen ihr die Tränen vor lauter Freude. Später – beim Zubettgehen – nahm sie mich noch einmal in den Arm. „Aber ich nerv‘ dich doch auch ganz oft, Mama. Den Brief hab ich mir ja gar nicht verdient“, sagte sie leise zu mir. Und ich antwortete: „Ach, ich nerv‘ dich doch auch manchmal oder bin ungeduldig mit dir. Weißt du, wenn wir in Zukunft wieder mal zusammenkrachen, dann nimm einfach diesen Brief und lies ihn. Denn da drinnen steht, was immer gültig ist.“