Oleum Lini – Ein natürlicher Fußbodenbelag als Druckträger
Die Erfindung des Linoleums Ende des 19. Jahrhunderts war einem Zufall geschuldet. Dass die Leinölmasse auf Jutegewebe in weiterer Folge nicht nur als Bodenbelag reißenden Absatz finden, sondern auch im Kunstsektor Einzug halten sollte, war für den englischen Chemiker Sir Frederick Walton nicht erwartbar. Die konservativen Hochdruckkünstler hielten vorerst am traditionellen Material „Holz“ fest, lobten die Möglichkeiten, dessen Maserung in das Kunstwerk miteinbeziehen zu können und öffneten sich nur zögerlich und mit viel Kritik dem neuen Werkstoff. Vor allem an Schulen aber erfreute sich Linoleum als leicht zu bearbeitender Bilddruckträger im Kunstunterricht wachsender Beliebtheit.
Schon als sich unser ältester Sohn Laurin vor einigen Jahren zum ersten Mal dem Linolschnitt widmete, schielte unsere Tochter neugierig zu ihm hin, verfügte aber über zu wenig Kraft, um mit den unterschiedlichen Schneideklingen kontrolliert arbeiten zu können. Kürzlich nahm sie aber diese Technik in Angriff. Linolplatte, Konturmesser, Farbwalze und Druckfarben waren allesamt in unserem Fundus noch zu finden.
Nach einigem Hin und Her entschied sich Maja (13) schlussendlich für ein Frühlingsbild und skizzierte Blume und Schmetterling gewissenhaft auf der Linolplatte.
Wie viel Arbeit das Schneiden des Negativmusters verursachen würde, war ihr am Anfang zwar nicht so richtig klar. Wer unser Mädel aber persönlich kennt, der weiß, dass sie in vielen Lebensbereichen über schier endlose Geduld und Ausdauer verfügt.
Mehr und mehr Material wurde von ihr abgetragen, immer feiner wurden die Details.
Nach einigen investierten Stunden war es endlich so weit und die Druckfarbe konnte aufgetragen werden. Nach der langen Lagerdauer musste sie sie mit ein wenig Wasser anrühren.
Ich hatte selbst noch nie zuvor versucht, einen Linoldruck mehrfarbig zu gestalten. Gespannt beobachtete ich daher meine Tochter bei ihren Farbexperimenten.
Mangels Druckpresse musste sie das Papier mit ruhiger Hand auflegen und vorsichtig andrücken. Aufgeregt hob sie das Bild an und war so sehr mit dem Ergebnis zufrieden, …
… dass sie nach Reinigung der Druckplatte auch noch einen schwarz-monochromen Abdruck wagte. Und wer beäugte das Vorhaben aus dem Hintergrund? Ganz genau! Der nächstjüngere Bruder (10), der zwar möglicherweise schon über die Muskelkraft, gewiss aber nicht über die Geduld verfügt, ein solches Vorhaben zu wagen. Vorsichtshalber werde ich aber demnächst wohl eine weitere Linoldruckplatte besorgen. Meistens kommen die Anwandlungen meiner Kinder ja über Nacht 😉 Somit bin ich vorbereitet, wenn Kork und Kartoffeln nicht mehr reichen!