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ITALIEN/TOSKANA – Schlafende Vulkane beißen nicht

Unsere Tochter (13) hat seit jeher ein dezent angespanntes Verhältnis zu Vulkanen. Egal, ob aktiv oder erloschen: Ihr sind die feuerspeienden Steinriesen über die Maßen unheimlich. Dabei ist es ihr auch kein Trost, dass der ganze Planet einmal übersät von heißen Bergen war und es uns Menschen wohl ohne sie gar nicht gäbe. Das ungute Gefühl beschleicht sie automatisch, wenn sie sich in der Nähe eines Vulkans wähnt. Dass sich unsere nächste Unterkunft auf einem seit 180.000 Jahren erloschenen Vulkan befinden würde, wussten wir anfangs selbst gar nicht. Als wir es herausfanden, machten wir aus oben genannten Gründen auch erst einmal nicht viel Aufhebens darum. Sie würde es schon früh genug erfahren.

Der Monte Amiata schließt mit seinen für die Toskana beachtlichen 1.783 m Höhe das Orcia-Tal ab. Die Serpentinen zu unserem alten toskanischen Bauernhaus führten durch endlos lange Maroniwälder. Die Äste der Edelkastanien waren so schwer von Früchten beladen, dass sie zu brechen drohten. Was jahrhundertelang die einzige Nahrungsbasis für die Menschen der Amiata-Gegend war, wird heute als Delikatesse „Castagna del Monte Amiata“ gehandelt. Die „Strada della Castagna“ soll ein anderes Mal Teil einer weiteren Reise sein.

Das letzte Teilstück unserer Anfahrt war wirklich abenteuerlich. Ein Gefälle, dass man die Straße vor der Motorhaube nicht sehen konnte, loser Kies, der sowohl Reifen als auch Beifahrer zum Durchdrehen zu bringen imstande war und eine Straßenbreite, die eher an meine Armlänge erinnerte, ließen unseren Puls in die Höhe schnellen und die Kinder vor Aufregung kichern. Endlich waren wir angekommen!

„Luca’s house“ am Monte Amiata – Der Vermieter hatte sich mit dem Ankauf des alten Hofes einen Traum erfüllt.
Unser Eingang
Die Lieblings-Haus-Und-Hof-Katze unserer Kinder ließ sich furchtbar gerne kraulen und streicheln.
Obstjause (Abendessen in Vorbereitung)
Die Kinder bezogen das Schlafzimmer im Obergeschoss

Die Gegend um den Monte Amiata ist noch immer geothermisch sehr aktiv. Davon zeugen nicht nur zahlreiche geothermische Kraftwerke, sondern auch die heißen Quellen der Region. Als wir zuletzt vor zehn Jahren durch die Toskana reisten, waren die „Bagni San Filippo“ im gleichnamigen Ort noch ein wahrer Geheimtipp und kaum besucht. Eine Dekade weiter hat das Dörfchen geschäftstüchtig erkannt, dass aus den Quellen nicht zwangsläufig nur Wasser fließen muss, sondern diese auch als Geldquelle geeignet scheinen. Neben der Parkgebühr müssen nun also neuerdings auch zwei Euro pro Person berappt werden, wenn man vorhat, seine Zehen in das mineralreiche Wasser zu stecken. Würde das Geld wenigstens für den Erhalt der Wege und die Flurreinigung verwendet werden, so beteiligte man sich klaglos über ein Eintrittsgeld an den Allgemeinkosten. Nimmt man hingegen die zunehmende Verwahrlosung des Gebietes wahr, so mag man sich ein klitzekleines bisschen ausgenommen wie eine Weihnachtsgans fühlen.

Nichtsdestotrotz haben die ältesten natürlichen Heilbadquellen der Toskana ihren ganz besonderen Reiz nicht verloren. Besonders die Kalkablagerungen, die über Jahrhunderte das aufgerissene Maul des „Weißen Wals“ ausgebildet haben, sind beeindruckend. Das Thermalwasser vermengt sich vor allem im Winter mit Regenwasser, teilweise wird organisches Material vom Wasser mitgetragen und somit verändert die Formation immer wieder Aussehen und Farbe. Von ockerbraun über grünlich bis hin zu strahlend weiß reicht die Farbpalette dieses Naturschauspieles.

Der „Weiße Wal“ in „Bagni San Filippo“

Die zahlreichen darunter liegenden Becken laden zu jeder Jahreszeit zu einem Wohlfühlbad mit kostenloser Fangopackung ein.

Schneller als die Polizei erlaubt, waren die Kinder und mein Mann in ihre Badesachen geschlüpft und genossen schon das angenehm warme Nass, während ich noch mit meiner Kameraausrüstung herumhantierte.

Eilig hatte ich es nicht. Es war knapp vor zwölf Uhr und ich spekulierte damit, dass es vermutlich in Kürze weitaus weniger überlaufen sein würde. Immerhin tendiert der ordnungsbewusste deutsche Tourist dazu, sein Mittagessen pünktlich einzunehmen 😉

Ich sollte Recht behalten.

Die Ruhe in den Becken war dadurch aber natürlich erkauft. Zu essen bekamen wir nämlich – anders als die deutschen Reisenden – in den umliegenden Restaurants dank der italienischen Siesta nichts mehr.

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