LONDON – Charles Dickens oder „Vom Tellerwäscher zum Millionär“
Wer von euch kennt nicht „Die Weihnachtsgeschichte“, in der sich der geizige und herzlose Ebenezer Scrooge durch die Erscheinung mehrerer Geister dem Guten zuwendet? Und ist euch nicht auch der Waisenjunge „Oliver Twist“ bekannt, der durch seine Lebensumstände unter Leichenbestattern und Taschendieben verkehrt und viel durchleiden muss, bis ihn das Leben endlich belohnt? Die Gegenüberstellung von Arm und Reich, von Recht und Unrecht, von Glück und Elend prägt zahlreiche Werke eines englischen Schriftstellers, der wohl zu den bekanntesten des 19. Jahrhunderts zählt: Charles Dickens.
Er selbst war Sohn eines überschuldeten Mannes, der aufgrund seiner hohen Außenstände im Gefängnis und er selbst daraufhin im Alter von zwölf Jahren als ausgebeuteter Industriearbeiter in einer Fabrik für Schuhcreme landete. Als Teenager träumte er davon, Schauspieler zu werden. Leider verpasste er wegen einer starken Erkältung ein Vorsprechen am „Covent Garden Theatre“. Seinen Berufsplan gab er dann aber wegen der Liebe zu Maria Beadnell auf, die der Mittelschicht angehörte. Ihr respektive ihrer Familie zuliebe nahm er eine Festanstellung in einer Anwaltskanzlei auf. Heiraten konnte er sie dennoch nicht, jedoch eröffneten sich dadurch neue Möglichkeiten für ihn. Aufgrund seines Talents im Schreiben konnte er sich bald einen Namen als Parlamentsreporter erarbeiten und veröffentlichte alsbald auch seine ersten Romane.
Jenes Haus, in dem der bereits oben erwähnte Roman „Oliver Twist“ geschrieben worden war, ist heute ein Museum.
Das viktorianische Stadthaus in der Doughty Street bewohnte Dickens mit seiner Ehefrau Catherine Hogarth. Dass er das Reihenhaus im jungen Alter von 24 Jahren kaufen konnte, zeugt von der Popularität des Romanschriftstellers. Beide – Charles und Catherine – genossen das quirlige, gesellschaftliche Leben und luden regelmäßig führende Persönlichkeiten der damaligen Zeit für Abendessen oder Empfänge ein.
Das Museum präsentiert hunderte Exponate – persönliche Gegenstände, Manuskripte und Gemälde – und bietet somit Einblicke in das private Leben des Schriftstellers.
Schreibtisch und Rauchersessel wurden posthum innerhalb der Familie Dickens weitergegeben, bis beide Möbelstücke im Rahmen einer Versteigerung zur Jahrtausendwende ihren Besitzer wechselten. Waren sie anfangs dem Museum nur als Leihgabe überlassen worden, konnten sie bald in die ständige Sammlung aufgenommen werden. Spätere Werke wie „Große Erwartungen“ waren an diesem Tisch entstanden.
Der Salon war ein Ort der Entspannung und Unterhaltung, der sowohl gemeinsam mit Gästen als auch mit den Kindern des Paares – sie hatten am Ende zehn – genutzt worden war.
War der Salon durchaus erwartungsgemäß ausgestattet, so bot das Schlafzimmer des Ehepaares Dickens die eine oder andere Möbel-Überraschung. Neben einer kleinen, freistehenden Badewanne stand auch ein Toilettenstuhl mit eingebautem Nachttopf (nur leider ohne Spülung) im Raum. Diesen in die Senkgrube zu entleeren oblag dem Hausmädchen. War die Grube voll, musste sich der „night soil man“ um die gesammelten Ausscheidungen kümmern. Nicht selten landeten sie in der Themse, wohlgemerkt DER Trinkwasserversorgung der Stadt. Im heißen Sommer des Jahres 1858 war der Geruch des Flusses dermaßen unerträglich, dass man ihn als „the great stink“ in Erinnerung behielt.
Trotz der nächtlichen Unterbrechungen durch den Toilettengang selbst, das Läuten nach dem Hausmädchen und ihr Tätigwerden bis hin zum Lärm, den der nächtliche Kotentsorger wohl gemacht haben dürfte, mussten sich die Menschen anderntags wieder zeitig für ihre jeweilige Arbeit bereit machen.
Unterdessen kümmerte sich das Hauspersonal um die Zubereitung der Mahlzeiten in der Küche. Die Dickens-Familie selbst dürfte sich kaum in diesen Räumlichkeiten aufgehalten haben.
Und auch die Waschküche war wohl kaum ein Ort, an dem Charles Dickens persönlich zugegen war. Könnt ihr euch vorstellen, dass hier möglicherweise die Windeln jener beiden Töchter von Charles Dickens gewaschen wurden, die in exakt diesem Haus zur Welt gekommen waren?
Womit er sich wohl beschäftigte, während seine Dienstmädchen Gemüse schnitten, Kohle schaufelten oder Wasser im Kupferkessel erhitzten? Vermutlich tat er das, was in jenen viktorianischen Tagen fester Bestandteil des Londoner Lebens war, und trank Tee mit Milch und viel Zucker. Genau das würde auch unseren ersten Tag in dieser Stadt – beinahe zweihundert Jahre später – abrunden. Wollt ihr daran teilhaben? Dann schaut bald wieder vorbei!