LONDON – Zu Besuch in der 221b Baker Street
Wusstet ihr, dass der geistige Erfinder von „Sherlock Holmes und Dr. Watson“ kurze Zeit in Österreich zur Schule ging? Sir Arthur Conan Doyle besuchte das Jesuitengymnasium „Stella Matutina“ in Feldkirch und sollte dort seinen Horizont erweitern sowie sein Deutsch perfektionieren. Der Schotte aus eher ärmlichen Verhältnissen hatte wohlhabende Förderer in seinem Umfeld und studierte schlussendlich Medizin sowie praktische Botanik im schottischen Edinburgh. Nach zwei Reisen als Schiffsarzt eröffnete er eine Arztpraxis in Portsmouth und später auch in London an der damaligen eleganten Adresse 2 Upper Wimpole Street. Gemäß seiner Autobiografie soll er aber an dieser Anschrift niemals auch nur einen Patienten empfangen haben.
Überhaupt war seine Karriere als Arzt nicht sonderlich erfolgreich. Jedoch war Conan Doyle strebsam und nutzte seine Zeit, indem er viel Sport betrieb, sich politisch engagierte und schrieb. Der Verkauf seiner Bücher, Artikel und Kurzgeschichten war bald so sehr von Erfolg gekrönt, dass er seine Tätigkeit als Arzt schließlich ganz an den Nagel hängte und sich auf seine Einkünfte als Autor verließ.
Berühmtheit erlangte er durch die literarische Entwicklung des Meisterdetektivs Sherlock Holmes, der wohl teilweise seinem früheren Universitätsdozenten Joseph Bell nachempfunden war, sowie dessen Freund Dr. Watson, dessen Biographie und Charakter Parallelen zu Doyle selbst aufwiesen.
Mit unserer Reservierungsbestätigung für einen Besuch des Sherlock-Holmes-Museum in der Tasche fuhren wir nach dem Frühstück am Morgen mit der „Bakerloo-Line“ zur U-Bahn-Station „Baker Street“.
Vor dem Museum an Holmes‘ Originaladresse 221b Baker Street hatte sich bereits eine kleine Schlange gebildet. Wir wurden von einem Londoner „Bobby“ in traditioneller Kleidung, aber gefälschter Polizeimarke freundlich begrüßt. Er wies uns den Weg zum Schalter, wo unsere Reservierung in Tickets umgewandelt wurde.
Ein „Dienstmädchen“ begrüßte uns im ersten Stock des Gebäudes, wo sich Holmes‘ vollkommen überladenes Arbeitszimmer befand. Von der schier unendlichen Fülle an Gegenständen fühlte man sich beinahe erschlagen. Der eine oder andere Fan der Kriminalromane behauptet ja steif und fest, dass es Sherlock Holmes und Dr. Watson tatsächlich gegeben habe und hier eine authentische Sammlung ihres Habs und Guts zu sehen sei. „Ein weiteres und wahrscheinlich das größte aller Sherlock-Holmes-Mysterien ist wahrscheinlich dieses“, meinte schon der Literaturnobelpreisträger Thomas Stearns Eliot, „dass wir, wenn wir über ihn sprechen, unweigerlich der Vorstellung verfallen, er habe tatsächlich existiert.“ Auch die blaue Plakette auf der Außenfassade des Museums lässt einen das glauben. Tatsächlich handelt es sich bei den Ausstellungsstücken einfach nur um Sammlerstücke aus dem späten 19. Jahrhundert, in der Conan Doyles‘ Romane spielten. Diese wurden entsprechend der Beschreibungen der Räumlichkeiten aus den Geschichten mit viel Liebe zum Detail arrangiert.
Aufgrund der beengten Verhältnisse und der mit der Uhrzeit immer weiter zunehmenden Zahl an Museumsbesuchern fiel es zwar nicht leicht, sich in imaginäre Welten zu flüchten, mit etwas Geduld gelang es mir dann aber doch, Bilder in meinem Kopf entstehen zu lassen, die Arzt und Detektiv eingehüllt in Pfeifenrauch über einen aktuellen Fall grübelnd und lebhaft diskutierend zeigten.
Wir hatten mehr Zeit im Museum verbracht als gedacht und nahmen die Straßen der Umgebung im Anschluss daran mit anderen Augen wahr. Die Romane rund um den berühmten Meisterdetektiv und dessen Freund erzählen nicht nur persönliche Geschichten, sondern versetzen den Leser in eine Zeit, in der die Forensik noch in den Kinderschuhen steckte, in der Opiate in Apotheken noch frei erhältlich waren und in der „Scotland Yard“ gerade erst gegründet worden war.
Wir beschlossen unseren „Sherlock-Holmes-Tag“ jedenfalls mit einem Essen im „The Sherlock Holmes Pub“, wo sonst?