ITALIEN/TOSKANA – Schnurrrrano
Zu einer ordentlichen Reise in das Land der Etrusker gehört natürlich auch eine Fahrt durch das Val d’Orcia. Die Panoramastraße SP146 ist für jeden Liebhaber kitschiger Toskanaeindrücke Pflichtprogramm. Pech nur, wenn der Himmel wieder einmal wolkenverhangen ist und dabei nicht einmal sonderlich dramatisch daherkommt. Die Strecke von San Quirico d’Orcia über Pienza nach Montepulciano zeigte sich daher in einem trist-monotonen Farbgemisch aus Grün-, Grau- und Brauntönen ohne jegliche Schatten oder gar Lichteffekte. Umso fröhlicher ging es allerdings IM Auto zu. Ritter Rost hat für uns auf Urlaubsreisen schon Tradition. Die Kinder trällerten lautstark das Lied von der stinkenden Sandale des Gaius Julius Cäsar mit. Das tröstete auch die Hobbyfotografin an Bord über die Tatsache hinweg, dass sie wohl doch nur eine Schönwetterfotografin ist und noch viel zu lernen hat.
Den ganzen Tag im Auto sitzen kann aber auch irgendwie nichts. Die „Fortezza Orsini“ in Sorano hatte ich mir zwar als Ausflugsziel vorgemerkt, jedoch mussten wir enttäuscht feststellen, dass die angeblich sehr sehenswerten Führungen in die unterirdischen Gänge der Festungsanlage nur samstags und sonntags stattfinden – zumindest in der Nachsaison. Es war Freitag. Na toll!
Aber wenigstens das kleine Museum für Mittelalter und Renaissance war geöffnet, und so schnappte ich mir die zwei größeren Kinder und bezahlte den Eintritt. Mein Mann blieb mit dem Jüngsten draußen. Museen sind aktuell eine richtig schlechte Idee in Begleitung unseres Nesthäkchens. Er liebt es, sich in jede noch so enge Spalte zwischen alarmgesicherten Vitrinen hineinzuquetschen und überall hinaufzuklettern – auch wenn es sich beispielsweise um einen fünfhundert Jahre alten Ledersessel handelte. Ein „Nein“ quittierte er vermutlich quietschend mit zig Wiederholungen des jeweiligen Verbots, und eine „gewaltsame“ Entfernung des kleinen Störenfrieds hätte ihrerseits vermutlich einen Einsatz der lokalen Carabinieri zur Folge, denn das lautstarke Gezeter hörte man gewiss in der ganzen Stadt.
Gerade, als ich das Fresko eines Künstlers der sienesischen Schule aus dem 16. Jahrhundert näher betrachten wollte – es zeigte unter anderem die gregorianischen Noten zur Musik eines Liedes aus Boccaccios „Dekameron“ – kam doch mein allerliebster Angetrauter mit dem süßen kleinen Minizwerg ins Museum, nur um unsere ungefähre Aufenthaltsdauer zu erfragen. Es gäbe da einen schönen Weg in das kleine Städtchen Sorano und er wollte nur wissen, ob er schon losziehen oder auf uns warten sollte. Wir beendeten an dieser Stelle abrupt unseren Museumsbesuch. Nicht, weil wir nicht auch noch gerne die übrigen Exponate gesehen hätten, sondern weil in Windeseile genau das oben beschriebene Programm unseres knapp Vierjährigen startete und wir die Flucht ergriffen, bevor es zu Schlimmerem kommen konnte. Damit war auch die Frage geklärt, ob wir alle gemeinsam die Gassen Soranos erkunden sollten.
Sorano dürfte schon während der Bronzezeit besiedelt gewesen sein, jedenfalls war sie es in der Zeit der Etrusker. Sie ist eine von mehreren Tuffsteinstädten („città del tufo“) der Region, leidet allerdings unter der Erosion des Tuffsteinfelsens, auf dem die Stadt selbst errichtet ist. Aufgrund der Instabilität des Gesteins, die schon vor zweihundert Jahren existierte, war es Anfang des 19. Jahrhunderts zu mehreren Erdrutschen nach Grabungsarbeiten gekommen, was wiederum den Einsturz der alten Kirche verursacht sowie Teile der Festung schwer beschädigt hatte.
Was den Kindern in Sorano am besten gefiel, waren aber nicht die alten Gemäuer oder die geschichtsträchtigen Wege, sondern die kleinen, unscheinbaren Dinge. Es waren die allgegenwärtigen Katzen der Stadt, die ihnen am meisten imponierten. In Linus‘ Reisetagebuch wird sich – so wird sich später herausstellen – an diesem Tag alles um „Miau“ drehen.
Für die „Porta dei Merli“ hatten die Kinder dann keine Energie mehr. Rasselten die Ketten der Zugbrücke am alten Tor zur Stadt heute noch, so hätten sie sich möglicherweise noch aufgerafft, weitere Meter Fußmarsch zurückzulegen.
So aber nahmen wir Abschied von Schnurrrr…, ähm, Entschuldigung, von Sorrrrano. Zeit für’s Abendessen!