LONDON – Sky Garden im Nebel
„Mama, kann ich nicht doch hier unten im Café warten?“, jammerte Maja (14). Ich zog eine Augenbraue hoch, nahm einen Schluck Cappuccino, doch bevor ich mit Worten reagieren konnte, fuhr Laurin (17) dazwischen und antwortete an meiner statt: „Neeeeeein, du kommst schön mit!“ Meine Tochter leidet – wie ich – unter leichtem Unwohlsein bei der Nutzung von Liften, Seilbahnen oder anderem technischen Gerät, das geeignet ist, einen in hohe Höhen zu befördern. Seit ich Kinder habe, mache ich aber eine Art selbst auferlegter Konfrontationstherapie, denn natürlich will ich mir nichts anmerken lassen. Mein Kopf weiß ja, dass die Wahrscheinlichkeit eines Unglücks bei nahezu Null liegt. An den potentiell betrunkenen Ferialpraktikanten, der vergessen haben könnte, irgendwelche wichtigen Schrauben festzuziehen, denke ich dann einfach nicht. Wer mich gut kennt, bemerkt möglicherweise Spuren eines bloß aufgesetzten Lächelns, wenn ich mich beispielsweise in die Gondel eines Riesenrades setze. Dass sich meine Hände krampfhaft (und absolut sinnlos) hinter meinem Rücken an irgendwelchen Handläufen festhalten, verberge ich in der Regel gekonnt. Bei Maja ist es ähnlich, erstaulicherweise zieht sie aber Bungee-Jumping durchaus in Erwägung.
Der Besuch des „Sky Garden“ war Laurins Idee. Es handelt sich um den höchstgelegenen öffentlichen „Garten“ Londons. Mit 160 m ist das Bürogebäude, das den „Sky Garden“ beherbergt und das von den Londonern wegen seiner Form auch „Walkie Talkie“ genannt wird, zwar bei weitem nicht das höchste Gebäude der Stadt, dafür muss man keinen Eintritt berappen, nur um ein wenig Aussicht genießen zu können, sondern lediglich kostenlos eine Reservierung für ein gewisses Zeitfenster vornehmen.
Als wir den kurzen Fußmarsch von der U-Bahn-Station „Monument“ in die Fenchurch Street zurücklegten, mussten wir innerlich grinsen. Nebel. Eh klar. London wollte sich wohl von seiner authentischen Seite zeigen.
Ich machte die Kinder auf die kleinste Skulptur der Stadt aufmerksam. Wenn man nichts von den „Two Mice eating cheese“ weiß, geht man sicher geradewegs daran vorbei.
Wir waren früh dran, und die Kinder hatten somit noch ausreichend Zeit für eine gepflegte Zuckerpegelanhebung durch heiße Schokolade und Brownies.
Maja war nervös, als sie mit uns anderen nach dem Durchlaufen der Sicherheitsschleuse/Gepäckkontrolle in den Fahrstuhl stieg. Sie hatte sich eine quälend lange Fahrt mit dem Lift vorgestellt, doch es benötigte gerade einmal ein paar Sekunden, bis uns der ultraschnelle Aufzug in das 35. Stockwerk befördert hatte.
Wir landeten in einem tropischen Paradies, das sich über drei Ebenen erstreckte.
Von Fernsicht war zwar wegen des Nebels, der sich einfach nicht auflösen wollte, nicht viel zu bemerken, jedoch hatten wir dennoch eine tolle Zeit im „Sky Garden“.
Ehrlicherweise überzogen wir unser einstündiges Zeitfenster. Sehr sogar. Es hätte ja sein können, dass sich der Nebel auflöste und doch noch einen strahlend blauen Himmel freigab. Aber es sollte nicht sein. London wollte sich einfach von seiner realistischsten Seite zeigen. Immerhin ist Nebel die schönste Form der Verschleierung.