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Besichtigung einer Großbäckerei – Wirtschaftskunde in der Praxis

Einer der größten Mängel unseres Bildungssystems ist der fehlende Bezug zur Realität. Hinter meist verschlossenen Türen füllen die Kinder beispielsweise Arbeitsblätter über die Bestandteile des Löwenzahns aus anstatt ihn auf der Wiese aus der Nähe zu betrachten, zu riechen, zu erfühlen und im Gespräch mit anderen wie von allein zu erfahren, wie er aufgebaut ist. Diese Situation bessert sich leider auch nicht in der Sekundaria. Maja (12) soll sich in diesem Jahr erstmals mit den Grundzügen unseres Geld- und Wirtschaftssystems auseinandersetzen. In der Theorie. Auf 18 Seiten werden den Jugendlichen Fachbegriffe des Kapitels „Gütererzeugung in Gewerbe und Industrie“ ohne jeglichen Bezug zur Praxis entgegengeschmettert.

Ich halte von dieser Herangehensweise wenig. Obwohl ich ein sehr inniges Verhältnis zum klassischen Buch pflege, bevorzuge ich es, mich neuen Themen zuallererst in der Realität zu nähern und mich dabei all meiner Sinne zu bedienen, bevor ich das Gebiet mit Hilfe von Druckwerken unterschiedlichster Art vertiefe.

Diese Grundhaltung führte dazu, dass ich schon vor Wochen Kontakte zu unterschiedlichsten Unternehmen aufbaute, die sich bereit erklären würden, den von mir erwünschten Praxisbezug herzustellen. Besonders herzlich war die Kommunikation mit der Großbäckerei „Knusperstube“ in Wolfsberg.

Da Betriebsbesichtigungen in aller Regel nur Gruppen möglich sind, fragte ich unter den uns bekannten Familien mit Kindern im häuslichen Unterricht nach und eruierte, ob und wie umfangreich Interesse an einer Teilnahme bestünde. Die vielen positiven Rückmeldungen erstaunten mich und motivierten mich zugleich, eine richtige „Klassenfahrt“ zu organisieren – mit Bus, Chauffeur und viel Freude am Tun. 21 Kinder stiegen am 8. November in den komfortablen Reisebus, begleitet von zwei engagierten Mamis und meiner Wenigkeit.

Unsere Reise ging zeitig los. Um 7:30 Uhr morgens fuhr der Bus vom Parkplatz am Vassacher See ab und lenkte Richtung Osten nach Wolfsberg im Lavanttal. In der Großbäckerei wurden wir herzlich willkommen geheißen. Nach einer kurzen Begrüßung durften sich die Kinder mit Reindling stärken und wurden dann ins Büro geleitet. Dort wurden Rucksäcke und Jacken deponiert und unser aller Haare unter formvollendeten roten Baretthauben versteckt.

„Hereinspaziert, hereinspaziert!“, hieß es sodann. Die Truppe wurde sozusagen gleich ins kalte Wasser geworfen. Nach dem Händewaschen und Ankleiden warteten bereits mehrere vorbereitete Bleche voller Teiglinge aus süßem Germteig auf ihre Verarbeitung.

Die Qualitätsmanagerin Barbara und der Bäckermeister und Produktentwickler Franz standen den Kindern mit Rat und Tat zur Seite. Sie zeigten den Kindern, wie man ein Brezerl, eine Handsemmel, einen Krampus und einen Zopf formt, ließen den motivierten „Schnupperlehrlingen“ aber auch genug Gelegenheit für eigene Experimente.

Es war wirklich eine Freude, den eifrigen Kindern zuzusehen. Als alle Teiglinge in Form gebracht worden waren, wurden die Kittel abgelegt, die Hände wiederum gewaschen und alle waren bereit, den Industriebetrieb einmal ganz genau unter die Lupe zu nehmen.

Die Personalleiterin Alina erzählte viel Spannendes über die Art und Weise, wie eine solche Großbäckerei geführt wird, wieviele Menschen hier beschäftigt sind und wo es all das Brot und Gebäck zu kaufen gibt, das hier produziert wird.

Im Lager suchten die Kinder nach Produkt- und Markennamen, die ihnen vielleicht aus ihrem persönlichen Alltag bereits bekannt waren.

10 bis 13 Tonnen Mehl werden in der Knusperstube jeden Tag verarbeitet, eine Zahl, die selbst uns Erwachsenen ungeheuerlich schien.

Natürlich war den Kindern bald klar, dass es in einer Großbäckerei anders zugehen muss als in einer kleinen Manufaktur. Vieles wird maschinell vor- oder sogar ganz zubereitet.

Manches muss aber auch hier von Hand erledigt werden.

Die Reindlingfülle muss manuell am Teig verteilt werden.

Vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt konnten die Kinder den Herstellungsprozess hautnah erleben.

Und nachdem es zum Abschied erneut eine gastfreundliche Aufwartung gab – dieses Mal frische Krapfen – durften die Kinder natürlich auch ihre eigenen Backwaren mit nach Hause nehmen!

Für Maja (12) und mich war diese Exkursion etwas ganz Besonderes! Und ich hoffe sehr, dass Besichtigungen wie diese im wahrsten Sinn des Wortes Schule machen! Denn schon Konfuzius soll gesagt haben: „Sage es mir, und ich werde es vergessen. Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten. Lass es mich tun, und ich werde es können.“

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