
Das Brot der Pfahlbauer
Kennt ihr, meine geschätzten Leser, die UNESCO-Welterbestätte am Keutschacher See? Sichtbar ist sie heute nur für jene, die gut Luft anhalten können und namentlich über eine Ausnahmegenehmigung für die Tauchverbotszone verfügen, denn sie befindet sich geschützt unter Wasser auf einer Untiefe des Sees, die vor etwa 6.000 Jahren eine Insel gewesen sein dürfte. Entdeckt wurde sie vor über 160 Jahren: eine jungsteinzeitliche Pfahlbausiedlung.
In Linus‘ approbiertem Sachunterrichtsbuch geht man mit diesem verborgenen Schatz Kärntens eher stiefmütterlich um: ein einzelner Satz inklusive Falschinformation (das Alter der Siedlung wurde falsch angegeben) neben einem einzelnen Bild. Wie hoch stehen die Chancen, dass sich ein zehn- oder elfjähriges Kind nachhaltig DARAN erinnert?
Linus (11) und ich begannen unsere thematische Auseinandersetzung mit der Pfahlbausiedlung an der Landkarte. Liegt der Keutschacher See nördlich oder südlich des Wörther Sees? Welche Seen befinden sich noch im Seental und zu welchem Bezirk gehört es? Welche Berge sieht man südlich des Keutschacher Sees?
Und weil so eine geografische Einordnung auf der Karte doch noch einmal ganz anders aussieht als in Wirklichkeit, statteten wir dem Aussichtsturm auf dem Pyramidenkogel einen Besuch ab. Leider war das Wetter an diesem Tag etwas diesig. Für eine kleine Geografiestunde reichte es aber allemal.

Ein paar interessante Informationen über die Pfahlbausiedlung ließen sich auch direkt im Aussichtsturm finden und studieren.

Das im Jahr 2017 geplante Projekt, die Pfahlbausiedlung spürbar und erlebbar zu machen, war leider nie realisiert worden. Ein schwimmender Holzsteg, eine Bootsfahrt zur Fundstelle, ein Themenpfad am Ufer, ein Ausstellungsgebäude und ein Restaurant für steinzeitliche Kulinarik waren die Eckpunkte des Siegerprojektes, das allerdings ohne weitere Erwähnung in der Versenkung verschwand. Ob es generell am lieben Geld lag oder die Privatbesitzerin des Keutschacher Sees Gundula Meßner doch Einwände erhob, bleibt unklar.
Umgesetzt wurde lediglich das „Welterbefenster“ im Gemeindehaus Keutschach, eine kleine interaktive Vitrine, die den interessierten Besucher über das Leben in der Jungsteinzeit informiert und ein dutzend Original-Fundstücke zur Betrachtung bereithält.


Wissend, dass wir uns wohl nicht mehr als eine halbe Stunde im Gemeindeamt aufhalten würden, hatte ich mir bereits im Vorfeld überlegt, wie ich das Thema für die Kinder noch greifbarer machen könnte und entschloss mich dazu, ein originalgetreues Steinzeit-Fladenbrot zu backen. Ein authentisches Rezept hatte ich im Buch „Palafitfood – So schmeckt die Pfahlbauküche“ gefunden. Es basiert auf der archäologischen Untersuchung zweier Fladenbrote, die man im Rahmen einer Pfahlbau-Rettungsgrabung in Zürich gefunden hatte.

Unabdingbar für den besonderen Geschmack sind Selleriesamen und Gerstenmehl, das ich aber durch Bio-Tsampa (Mehl aus gerösteter Gerste) ersetzen musste, was das Endergebnis vermutlich eher positiv beeinflusst haben dürfte. Das Gewürz wurde im Schweizer Original tatsächlich nachgewiesen und stellte damit den ältesten Nachweis von Brotgewürz dar.

Wie die Originale hatten meine Steinzeit-Fladenbrote einen Durchmesser von 6 – 10 cm und wurden an einer Schnur aufgefädelt. Nur gebacken hatte ich sie auf moderne Art und Weise im Backrohr anstatt im Feuer.

Abschließend durfte Linus dann noch sein kleines Dorf im Keutschacher See gestalten. Das „Kuratorium Pfahlbauten“ hatte mir freundlicherweise die im Jahr 2021 aufgelegten Sticker-Heftchen kostenfrei geschickt – zur Freude unseres Sohnes.


