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WIEN – Zu Hause bei Daniel Düsentrieb

Ausschlaggebend für unsere Bildungsreise nach Wien war ja ursprünglich das Theorie-Thema „Musicals“ in Majas Musikbuch. Zwar hätte es ganz gewiss keinen gesonderten Motivationsschub für Maja (13) und Linus (10) gebraucht, jedoch habe ich schlicht große Freude daran, den interessierten unter unseren Kindern ein dermaßen eindrückliches Erlebnis wenigstens einmal in ihrer Jugend zu ermöglichen. Ich selbst habe den „Tanz der Vampire“ nie vergessen. Blutjung und frisch verliebt hatten mein Mann und ich von meinen Eltern die Karten geschenkt bekommen und denken heute noch gern an die beeindruckende Vorstellung in den späten 90er Jahren.

Um uns die Zeit bis zur Vorstellung von „Das Phantom der Oper“ zu vertreiben, hatten wir geplant, erstmals das Technische Museum in Wien zu besuchen. Das Schulfach „Physik“ kann unsere Tochter überhaupt nicht leiden, obwohl sie eigentlich Freude an physikalischen Experimenten hat und auch wissbegierige Fragen stellt, was die praktische Anwendung physikalischer Prinzipien anbelangt. Der mathematische Firlefanz rundherum geht ihr aber in der Regel ordentlich auf den Senkel. Ich kann es ihr nachfühlen.

Bereits im Vorfeld hatte ich mich über das Museum erkundigt und ganz bewusst eine Vorauswahl jener Ausstellungen getroffen, die wir näher in Augenschein nehmen würden. Zu knapp war die Zeit für eine intensivere Auseinandersetzung mit allen Themengebieten und Exponaten, die das Museum zu bieten hatte. Die Internetseite des Technischen Museums hatte mir die Zusammenstellung einer individuellen Rätselralley zu den ausgewählten Ausstellungen „Energie“, „Alltag“ und „Musikinstrumente“ ermöglicht.

Vor Ort filterten die Kinder aber dann das mittlere Thema „Alltag“ zu Gunsten der „Hochspannungsvorführung“ aus. Gute Entscheidung!

Der junge Mann, der uns in die spannende Welt des Starkstroms entführte, hatte die Sympathien des Publikums auf seiner Seite. Mit Witz und Charme brachte er selbst die konsequentesten Technikmuffel zum Schmunzeln. Erläuterungen zum Faraday’schen Käfig, zur Teslaspule sowie zur Bedeutung von Erdungskabeln wurden aufgelockert durch Herzschrittmacher-Schmähs und eindrucksvolle Blitze, die sowohl das Super-Mario- als auch das Darth-Vader-Thema „singen“ konnten, wenngleich auch in einer Lautstärke, die wir so nicht erwartet hatten.

Da auch Transmissionsanlagen – also maschinelle Anlagen mit Riemengetrieben – in der Vorstellung thematisiert worden waren, zog es die Kinder im Anschluss direkt zum entsprechenden Ausstellungsstück.

Die Multimediashow in der „Dampfmaschinengalerie“ erzählte eindrucksvoll von den Innovationspotentialen der sechs ausgestellten historischen Dampfmaschinen aus den Jahren 1830 bis 1908 sowie von den technischen, aber auch sozialen Umwälzungen, die dieser Fortschritt mit sich brachte.

Die reinen Schulbuch-Erläuterungen zur Funktionsweise eines Dieselmotors hatten Maja zuvor nur die Stirn in Falten legen lassen. Der erste österreichische Dieselmotor aus dem Jahr 1898 verfügte zwar – anders als die modernen Motoren – noch über einen Kompressor und Stahlflaschen für die Druckluft – dennoch erzeugte das genaue Betrachten einen gewissen Aha-Effekt bei unserer Tochter. Übrigens: Rudolf Diesel selbst hielt eine „kompressorlose Direkteinspritzung“ für undurchführbar 😉

Während Linus (10) am Selbstversuch mit dem Sandsack die Vorteile von Flaschenzügen spürbar erlebte, wandte sich Maja (13) einem alten Maschinensatz des „Ruetz-Kraftwerks“ zu.

In der Rätselralley war ihr die Aufgabe gestellt worden, die Turbine der Anlage zu finden und festzustellen, um welche Art von Turbine es sich dabei handelt. Das Technische Museum arrangierte die Exponate so außergewöhnlich, dass man über eine Wendeltreppe nach unten gelangend den Innenraum des Turbinengehäuses näher betrachten konnte. So war es für unser Mädel nicht schwer herauszufinden, dass das Ruetz-Kraftwerk über eine Pelton-Turbine verfügte.

Mehr und mehr verließen die Kinder die „alte Welt der Energie“ und wandten sich aktuelleren Techniken zu. Eine Infrarotkamera hielt zum Beispiel das Phänomen fest, dass wir Frauen – zumindest in meiner Welt – immer frieren, während Männer wie wandelnde Öfen herumstolzieren.

Maja mit kalten Händen zur Linken und Linus mit mollig warmen Händen zur Rechten

Am Zahnrad-Experiment bissen sich zwar beide Kinder die Zähne aus, jedoch glänzten sie an einer anderen Mitmachstation dabei, eine Stadt optimal mit möglichst „grüner“ Energie zu versorgen und keine Stromausfälle zu verursachen. „Das Computerspiel gefiel mir am besten“, erzählte Linus unseren Freunden anderntags beim Frühstück.

„Energieversorgungs-Computerspiel“

Kurz nach Mittag widmeten wir uns den „Musikinstrumenten“ in der obersten Etage des Museums. Die Kinder lernten so einiges über die Funktionsweise einer Orgel, …

… über den Aufbau und die Herstellung einer Geige …

„Geigenwerkstatt“

… und über die Gemeinsamkeiten von Saiten und Stimmbändern.

„Saitenspinnmaschine“

Allerlei Kurioses aus der Musikwelt brachte uns immer wieder zum Schmunzeln und Staunen.

Ein Geige spielendes Orchestrion am Beispiel der „Phonoliszt Violina“ der Ludwig Hupfeld AG in Leipzig
Jahrmarktsorgel
Vielfach gewundene Naturtrompete von Alois Müllner

Welche Instrumente uns nun wohl beim Musical im Raimundtheater erwarten würden, darüber sinnierten wir im strömenden Regen, während wir auf unser Taxi warteten. Eines stand für uns alle fest: Das Technische Museum in Wien benötigt wohl eine ganze Woche, will man sich wirklich mit allen Ausstellungen ausführlich beschäftigen und alle angebotenen Versuche ausprobieren. Die entsprechende „Exkursionsbestellung“ wurde bei mir bereits deponiert. Jetzt hieß es erst einmal: „Ganz naaaaaaaah ist das Phantom der Oper da …“

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