TIROL – Von Bahnschwellen und Straßenessen

Obwohl ich Verwandtschaft im Bundesland Tirol habe – herzliche Grüße an dieser Stelle – war ich tatsächlich noch kein einziges Mal in Innsbruck. Schande über mein Haupt! Als sich Maja (13) in letzter Zeit mit den Habsburgern, den Großlandschaften unseres Landes und der Nutztierhaltung und Linus (10) mit den Bundesländern Österreichs, den Sinnesorganen, Burgen und der Geschichte der Eisenbahn beschäftigten, buchte ich dann aber einer inneren Eingebung folgend recht spontan Zugtickets in die Alpenstadt. All diese Themen lassen sich doch wunderbar in der Stadt des „Goldenen Dachls“ behandeln, begreifen und erleben. Wie langweilig und trocken sind dagegen regelmäßig die theoretischen Ausführungen in den Schulbüchern.

„Achtung Bahnsteig 4! Intercity 597 von Klagenfurt nach Salzburg fährt ein.“ Pünktlich. 5:16 Uhr. Die Kinder waren vor lauter Aufregung putzmunter. Erst nach einer Stunde – draußen war es noch immer dunkel – überkam sie die Müdigkeit. Laurin legte sich noch einmal auf’s Ohr. Neben uns saß eine etwa 60jährige Deutsche mit einer Dose Gösserbier, die Beine auf ihrem Koffer hochgelagert. In der Sitzreihe davor stickte ein fülliger Villacher älteren Semesters mit rotem Garn an einem Kreuzstich-Osterdeckchen mit Christusmonogramm. In Salzburg hatten wir nur wenige Minuten Zeit, um den richtigen Bahnsteig für den Anschlusszug Richtung Zürich ausfindig zu machen. Linus war unser Eisenbahn-Beauftragter. Nicht umsonst hatte er sich ja im Vorfeld bereits so umfassend informiert. Als der Railjet einfuhr, grinste er über das ganze Gesicht. Der Zug sah wirklich so aus wie in seinem Sachunterrichtsbuch. Aber die Geräuschkulisse der vielen Menschen am Bahnhof, das Spüren des Sogs beim Einfahren des Zuges, das metallisch kreischende Bremsengeräusch, die spürbare Hektik der Reisenden kann durch eine Abbildung niemals wiedergegeben werden. Im RJX 368 hatten wir auch mit der Sitzplatzreservierung Glück. Mit Tisch in der Mitte ist so eine lange Fahrt einfach viel angenehmer. Die Kinder frühstückten erst einmal ausgiebig, bevor wir uns mit dem „Innsbruck Spiel“ auf unser Reiseziel einstimmten.

In der Geschwindigkeitsangabe des Railjet steckten natürlich wieder großartige Rechenaufgaben. In erster Linie rief sie aber wahre Begeisterungsstürme bei den beiden Jungs hervor. Sie quietschten und johlten, als die 200 km/h überschritten wurden. Und selbstverständlich musste Laurins Clique unverzüglich via Beweisfoto über die Höchstgeschwindigkeit in Kenntnis gesetzt werden – ein Hoch auf das digitale Zeitalter (so zumindest der O-Ton unseres technikaffinen Ältesten).

In Innsbruck angekommen wollten wir ursprünglich mit dem Taxi ins Hotel fahren, um dort unser Gepäck zu deponieren, bis das gebuchte Zimmer bezugsfertig war. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir überhaupt nichts vom bärigen Tiroler Dialekt mitbekommen. Leider enttäuschte auch der Taxifahrer. Auf meine freundliche Frage nach dem ungefähren Preis vom Bahnhof nach Amras (Menschen aus dem letzten Jahrtausend wie meine Wenigkeit bezahlen auch heutzutage richtig gerne mit Bargeld) grummelte er misslaunig und mit starkem ausländischen Akzent etwas von „Taxameter“ und machte überhaupt den Eindruck, als habe er überhaupt keine Lust auf die Beförderung von Reisenden. Gut. Ich hatte keine Lust auf schlecht gelaunte Taxifahrer. Wir beschlossen daher kurzerhand, mit Bus und Straßenbahn vorlieb zu nehmen. Und endlich hörten wir „oan echt’n Tirola“. „Du Sau, d’dumme!“, schimpfte der Busfahrer, als ihm ein PKW-Lenker von links den Weg abschnitt. Endlich in Tirol angekommen!

Im Hotel funktionierte alles einwandfrei. Unsere Suite war sogar schon fertig vorbereitet, sodass kein Gepäck-Zwischenlager an der Rezeption erforderlich war. Vor unserem ersten und einzigen Programmpunkt des Tages – einer Führung in der größten Glockengießerei Österreichs – hatten wir noch ausreichend Zeit, zu Mittag zu essen. Ein kleines „Streetfood“-Lokal in der Nähe des Glockenmuseums hatte ich schon bei der Planung unserer kurzen Reise ausfindig gemacht. Immerhin wollte ich auch die Teenies bei Laune halten.

Wir sollten nicht enttäuscht werden. Fritz-Kola aus der Flasche, Quesadilla Griechisch und Avo Fries, daneben eine Partie Schach am Mobiltelefon zwischen Maja und Laurin ließen die Zeit wie im Fluge vergehen und die Herzen der Kinder höher schlagen. Mal sehen, was Innsbruck noch so für uns bereit hält.