Abwarten und Tee trinken
In einer Zeit, die uns lehrt, demütig zu sein und uns auf unsere Wurzeln zu besinnen, liegt es nahe, dass wir uns auch mehr und mehr den Ursprüngen unserer Ernährung widmen. Zwar haben die Europäer den Tee nicht erfunden, dennoch wird er seit dem 17. Jahrhundert auf dem Kontinent geschätzt und genossen.
Wer seine Umwelt mit offenen Augen, einer Portion Neugierde und klarem Verstand wahrnimmt und Interesse an der Verwertung all jener Schätze hat, die uns die Natur zur Verfügung stellt, kommt früher oder später auch an den Punkt, Pflanzen durch Trocknen haltbar machen zu wollen.
Der Ausblick, die getrockneten Blüten, Früchte und Kräuter aus dem eigenen Garten, dem Wald oder einer schönen Blumenwiese an einem kalten Winterabend mit heißem Wasser zu überbrühen und diesen Tee bei Kerzenschein im Kreise der Familie zu genießen, war so verlockend, dass ich mich in das Abenteuer der Teeherstellung stürzte.
Den Beginn machten Pflanzen, die unser Naturgarten bot, allen voran die Schafgarbe, die an jeder Ecke nur so wuchert. Sie wirkt entzündungshemmend und kann bei Verdauungsbeschwerden eingesetzt werden. Anders als viele Kräuter sollte die Schafgarbe im Hochsommer zur Mittagszeit geerntet werden. Dazu passend erntete ich junge Brombeerblätter, die sich ebenso positiv auf Magen und Darm auswirken.
Wer Tee trinkt, um seiner Seele etwas Gutes zu tun, wird natürlich darauf bedacht sein, auch dem Auge etwas zu bieten. In meinem Fall sollten Malvenblüten diese ästhetische Aufgabe übernehmen. Erstaunlicherweise ändern sie ihre Farbe von einem sanften Rosa, solange sie frisch auf der Wiese stehen, zu einem kühlen Violett, sobald sie getrocknet sind.
Dieser „Bauchstreichler“-Haustee wanderte alsbald in eine meiner Teedosen aus Birkenrinde.
Wir Mädels mögen es hie und da aber auch gerne richtig fruchtig. Wie gut, dass verschiedene ungefüllte Wildrosen in unserem Naturgarten zu finden sind, die im Herbst Hagebutten in den unterschiedlichsten Farben und Formen ausbilden.
Hagebutten wirken unter anderem leicht fiebersenkend. In erster Linie schmecken sie aber einfach nur fantastisch. Ich persönlich entferne die Kerne der Hagebutten, wenn ich sie trockne. Einen kurzen Moment lang überlegte ich, ob ich sie – wie in meiner Kindheit – als Juckpulver verwenden sollte.
Aber der gestrenge Blick meines Mannes (und das listige Blinzeln meines 9jährigen Sohnes) ließen mich zur Besinnung kommen. Denke an den Hausfrieden! Denke an den Hausfrieden! Denke an den Hausfrieden!
Tipp: Aus den Hagebuttenkernen lässt sich ein bekömmlicher Kernlestee zubereiten, der leicht nach Vanille schmeckt. Ich gab mich für das erste Mal aber mit der eigentlichen Frucht zufrieden.
Als weitere Früchtetee-Zutat boten sich die heruntergefallenen Äpfel unseres „Cox Orange“ an. Diese Apfelsorte stammt aus dem Jahr 1825 und schmeckt leicht säuerlich – perfekt für Maja (12) und mich also.
Man trinkt Tee, um den Lärm der Welt zu vergessen, heißt es. Wenn eine weiße Schneedecke zusätzlich all den Trubel dämpft, der auf diesem Planeten herrscht, fühlt man sich wie auf Wolken.