NATO, Russland, Ukraine …
Putin hat Kinder und Enkelkinder.
Biden hat Kinder und Enkelkinder.
Ich kann nicht einschätzen, was diese beiden Männer, die ganz oben auf der weltpolitischen Bühne stehen, im Sinn haben, ob sie ehrenhaft oder durchgeknallt sind, patriotisch oder rassistisch, ob sie das Beste für ihr jeweiliges Volk wollen oder das Beste für sich selbst. Aber können Ehemänner und Großväter tatsächlich Krieg für ihre Kinder und Enkelkinder wollen? Gibt es im Leben solcher Machthaber noch Emotionen oder musste alles der Taktik und der Strategie weichen?
Der aktuelle Konflikt zwischen der NATO, Russland und der Ukraine hat sich jahrzehntelang angebahnt. „Not one inch eastward“ bekräftigte der US-Außenminister James Baker im Jahr 1990 iZm der NATO-Expansion gegenüber Gorbatschow. Nur gab er ihm das eben nicht schriftlich. Manche Medien sprachen seitdem auch in Europa davon, dass Russland über den Tisch gezogen worden sei. Der Historiker und Journalist Ralph Pöhner schrieb zB am 30.12.2017 diese lesenswerte Zusammenfassung: https://blog.tagesanzeiger.ch/historyreloaded/index.php/2161/gemeinsam-zogen-sie-gorbatschow-ueber-den-tisch/ Die allermeisten europäischen Zeitungen berufen sich aber tendenziell darauf, dass die „Zusage“ in Wahrheit nur inhaltsloses „Geplauder“ und eben kein offizieller Vertragsbestandteil war.
Die NATO-Osterweiterung wurde daraufhin dennoch durchgepeitscht und man darf sich die Frage stellen, ob dahinter eine bewusste Provokation als Motiv stand oder die USA respektive die NATO-Mitgliedsstaaten ihrerseits aus einem Sicherheitswunsch heraus agierten, vielleicht auch vor dem Hintergrund eines möglichen Bündnisses zwischen Russland und China.
Dass Österreich zumindest offiziell „neutral“ ist, beruhigt mich keineswegs. Bereits im Jahr 2015 verkündete Sebastian Kurz nach den Pariser Anschlägen: „Keine Neutralität gegenüber Terrorismus.“
Bestärkt wurde diese Aussage erneut im Mai 2021 durch Außenminister Schallenberg, nachdem zivile Einrichtungen in Israel Ziel von Raketenangriffen geworden waren. Fast wortgleich teilte er in einem Statement mit: „Es wird von uns niemals Neutralität gegenüber dem Terrorismus geben.“ Auch Nationalratspräsident Sobotka schloss sich diesem O-Ton an.
Doch bedeutet die politische Neutralität, dass sich ein Staat aus konkreten Konflikten zwischen anderen Staaten heraushält bzw. – noch weitergedacht – grundsätzlich Bündnisse vermeidet. Unsere Repräsentanten entfremdeten den Begriff allerdings und setzten ihn ein, um eine ablehnende Haltung gegenüber Gewaltausübung ganz allgemein zum Ausdruck zu bringen. Diese Vermischung von Begriffen war und ist in meinen Augen fatal.
Ist unsere vielgerühmte Neutralität ein Relikt aus alten Zeiten und längst überholt?
Die österreichische Zivilbevölkerung ist – wie ich selbst – zu recht stolz auf die Neutralität im Sinne der Altvorderen. Doch leider – so befürchte ich – sind wir in der Realität schon lange nicht mehr so neutral, wie uns unsere Geschichtsbücher und zahlreiche alljährliche Gedenkfeiern Glauben machen wollen. Wir sind nicht NATO-Mitglied. Zumindest nicht so wirklich. Nur so ein bisschen. Und natürlich nennen wir
das nicht „Mitgliedschaft“, sondern „Partnerschaft“, besser noch: „Partnership for Peace“ (PfP). Längst schon sind wir in so vielen Lebensbereichen dazu übergegangen, schöne Begriffe zu verwenden – ganz im Sinne des Orwellschen „Neusprech“.
Das österreichische Bundeskanzleramt schreibt dazu hochoffiziell: „Die derzeitige Zusammenarbeit zwischen Österreich und der NATO im Rahmen von EAPC und PfP findet im Wesentlichen in drei Bereichen statt: politischer Dialog, militärische und zivile Zusammenarbeit.“
https://www.bundeskanzleramt.gv.at/themen/sicherheitspolitik/zusammenarbeit-mit-der-nato.html
Wie? Steht da „militärische Zusammenarbeit“? Lassen wir uns das bitte auf der Zunge zergehen!
Das österreichische Bundesheer schreibt anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums dieser Partnerschaft
in einer Presseaussendung vom Februar 2020:
„Neben der Teilnahme an NATO-geführten Missionen und Operationen ist die Teilnahme an Standardisierungsprozessen der NATO ein weiteres Ziel der Partnerschaft. Die NATO ist ja weithin als „Standardisierungsagentur“ für Streitkräfte anerkannt. Gerade unter dem Gesichtspunkt der internationalen Kooperation ist eine Vereinheitlichung militärischer Begriffe, Planungs- und Entscheidungsprozesse und auch technischer Standards von wesentlicher Bedeutung. Diese Standards gelten gleichermaßen für NATO- und für EU-geführte Missionen und Operationen und sind somit für die gemeinsame Auftragserfüllung in internationalen Krisenmanagementeinsätzen unverzichtbar.“
Ich frage mich, ob sich Österreich – ganz im Sinne der Neutralität – auch für russische, afrikanische, südamerikanische oder chinesische militärische Standards interessiert. Zur Friedenssicherung natürlich. Und für eine „gemeinsame Auftragserfüllung in internationalen Krisenmanagementeinsätzen“. Mir ist dazu jedenfalls nichts bekannt. Aber was weiß eine einfache Bürgerin schon …
Etwas nur weiß ich gewiss: Ich will keinen Krieg. Nirgendwo auf der Welt. Egal, was Biden und Putin antreibt, ich möchte daran glauben, dass ihnen ihre Kinder und Enkelkinder etwas wert sind. Und ich bin mir sicher, ich spreche für die allerallermeisten Menschen dieser Welt, wenn ich behaupte, dass wir alle einfach nur „in Frieden gelassen werden wollen“ und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.