Das Cachena-Rind am „Graslandhof“
Über unsere regelmäßigen Treffen mit anderen Freilerner-Familien lernen wir immer wieder faszinierende Menschen kennen und dürfen – einmal mehr, einmal weniger – an ihren Lebensgeschichten teilhaben. Vor wenigen Monaten erst begegneten wir Nicole mit ihren drei Mädels und erfuhren von der besonderen Art der Fleischwirtschaft, die sie und ihr Mann Georg als Landwirtschafts-Quereinsteiger in der südlichen Steiermark umzusetzen versuchen.
Maja (11) hatte sich in diesem Jahr schon in Biologie mit Nutztieren beschäftigt. Wie wundervoll, dass sich da die Gelegenheit bot, tiefer in das Thema der Rinderhaltung einzutauchen. Noch wundervoller erst, dass es dabei nicht um das in Österreich größtenteils verbreitete Fleckvieh, sondern um eine ganz besondere Rinderrasse gehen sollte: Das Iberische Gebirgsrind oder Cachena-Rind.
Wir reisten am Donnerstag Abend in St. Marein bei Neumarkt in der Steiermark an und wurden gleich herzlich am „Graslandhof“ in Empfang genommen https://www.graslandhof.at/
Nicole und Georg vermieten in einem Nebengebäude ein kleines, komplett neu renoviertes Ferienappartment und boten uns als Schlafplatz für die drei großen Kinder noch ein Zusatzzimmer an, was sich in Summe als absolut ausreichend für unseren kurzen Aufenthalt herausstellen sollte.
Wir hatten einen Frühstückskorb hinzugebucht und Nicole hatte sich viel Mühe gegeben, eine vegetarische Variante für uns zusammenzustellen. Somit wurden wir mit Produkten regionaler Bauern verwöhnt und konnten uns die Bäuche so richtig vollschlagen.
Die Eier wurden direkt vom „Graslandhof“ geliefert, besonders eindrucksvoll war dabei für die Kinder natürlich das gesprenkelte Putenei:
Nach dem Frühstück starteten wir unseren Tag zuallererst mit einem Spaziergang durch Neumarkt. Mehr dazu könnt ihr hier nachlesen: https://belinda.amplatz.today/freigepaeck/steiermark-rundgang-durch-neumarkt/
Am Nachmittag dann waren wir aber am Stall verabredet. Immerhin waren wir schon sehr neugierig darauf, die seltenen Gebirgsrinder endlich mit eigenen Augen zu sehen. Es ist unbekannt, wie viele Cachenas es überhaupt noch gibt. Unterschiedlichen Quellenangaben zufolge sollen es 400 – max. 2.000 Tiere weltweit sein. Mit ihrer Widerristhöhe von nur ca. 115-120 cm handelt es sich um eine der kleinsten Rinderrassen überhaupt. Das macht sie natürlich für europäische Leistungsmaßstäbe unwirtschaftlich. Doch wer grundsätzlich Fleisch isst und dabei auf Fleischqualität setzt, dürfte hier fündig werden. Ursprünglich stammt diese Rinderrasse aus Portugal, genauer aus der kargen Bergregion Süd-Galiziens.
An das Klima ihrer Bergheimat sind die Iberischen Gebirgsrinder, wie die Cachenas auch genannt werden, perfekt angepasst. Sie sind widerstandsfähig und vertragen sowohl Hitze und Trockenheit als auch kalte Winter. Nicole erklärte uns, dass das bei den hochgezüchteten Rinderrassen, wie zB beim Fleckvieh, nicht so ist. Diese Rinder leiden schon bei Temperaturen knapp über 20 °C unter Hitzestress.
Die Cachenas sind ihrer Herde sehr zugetan und äußerst sozial. Auf die Kälber passen in der Regel alle Tiere der Herde auf.
Will man die Kühe nicht unnötig stressen, so separiert man sie auch nicht nicht zum Kalben, sondern lässt sie dabei in der Gruppe.
Besondere Freude hatten Maja (11) und Linus (8) mit dem jüngsten Herdenzuwachs Mirabelle.
Nicole und Georg setzen eine komplett andere Art der Weidebewirtschaftung am „Graslandhof“ um. Diese naturnahe Herdenbeweidung nennt sich „mob grazing“. Dabei wird versucht, das natürliche Fressverhalten von Weidetieren nachzuahmen, die ja üblicherweise in freier Wildbahn weite Distanzen für die Futteraufnahme zurücklegen und dabei eine begrenzte Fläche immer nur kurz beweiden. Anschließend folgt eine lange Ruhephase für die Weide, die der Regeneration dient.
Was uns aufgefallen war, war auch die unterschiedliche Färbung der Rinder – von rehbraun bis fast schwarz. Nicole hatte wie immer gleich eine Erklärung parat, mit der wir so gar nicht gerechnet hatten.
Die dunkle Farbe wird nämlich vom männlichen Hormon Testosteron verursacht. Somit ist für die Kühe – falls irgendwelche Zweifel hinsichtlich des Verhaltens bestünden – gleich von vornherein visuell ersichtlich, wer der männlichste Stier von allen ist. Werden die Stiere kastriert, geht die dunkle Färbung verloren und sie werden wieder kastanienbraun. In der Graslandhof-Herde ist der „Adonis“ aller Cachenas ein mächtiger Bulle namens „Hombre“. Leider bekam ich ihn nicht vor die Linse. Wer ihn kennenlernen will, kann dies gerne hier tun: https://www.youtube.com/watch?v=2opGa5y9e1E
Einen weiteren Unterschied gibt es zwischen männlichen und weiblichen Cachenas, nämlich die Form ihrer Hörner. Während die Hörner bei den Kühen die Form einer Leier haben, sind sie bei den Bullen eher sichelförmig.
Nicole erzählte uns, dass die Bullen die Hörner zwar durchaus auch im Rivalenkampf einsetzen, dass es dabei aber üblicherweise keine großartigen Verletzungen gebe. Eigentlich gehen die Rinder sehr geschickt mit ihren Hörnern um und benutzen sie sogar als Werkzeug, wenn sie zum Beispiel etwas im Stroh suchen oder sich ihren Schlafplatz zurechtzupfen. Georg ließ die Kinder die Hörner befühlen. Wie überrascht waren sie, als sie feststellten, dass die Hörner nur an der Spitze kühl, sonst aber wegen der Blutgefäße in ihrem Inneren warm waren. Im Unterschied zum Geweih ist das Horn eine Bildung der Haut, in die ein Knochenzapfen hineinwächst, der durchblutet, mit Nerven versehen und mit der Stirnhöhle verbunden ist.
Auch am zweiten Tag durften unsere Kinder wieder im Stall sein, Cachena-Geschichten hören, Heu verteilen, ein Rind sogar striegeln und Hühner füttern. Wir können nur Danke sagen und euch weiterhin viel Erfolg für euren ganz besonderen Weg wünschen!
Ein Kommentar
Maja
Es war wirklich schön dort.
Aber ich glaube ich muss das nicht sagen da wir da ja gemeinsam dort waren. ; )