ITALIEN/TOSKANA – Seemann, deine Heimat ist das Meer
Als wir Monte Argentario verließen, war mein Mann beinahe wieder vollständig gesund, unsere Tochter spürte aber ihrerseits die Erkältung heranrollen. Wir stellten uns mental auf eine Triefnasen- und Kratzhustenurlaubswoche ein, ließen uns aber die Stimmung durch nichts trüben. Was soll’s? Alle unsere Unterkünfte hatten Erholungspotential. Wir würden uns einfach in zwei Gruppen – Kurgäste und Tourgäste – aufteilen und flexibel bleiben.
Die nächste Station legten wir in Castiglione della Pescaia ein. Zu Zeiten der Etrusker noch ein großer Salzsee (Catull und Cicero erwähnten ihn als „Lacus Prelius“) entstand unter der Herrschaft der Pisaner zuallererst die Festung, das heutige Wahrzeichen der Stadt, dies aber vor allem aus strategischem Interesse als Seemacht. Die Maremma ringsherum war im Mittelalter noch tiefstes Sumpfgebiet. Das Kanalisationssystem, welches es in der Antike hier bereits gegeben haben soll, war verschwunden. Erst im 19. Jahrhundert gab es erneut diesbezügliche Bemühungen und Fischer siedelten sich mehr und mehr im Gebiet an.
Ich wollte am Abend noch ein kleines bisschen Seeluft schnuppern und den Hafen entlangschlendern. Zuvor aber kochte ich für Gesunde und Kranke gleichermaßen ein toskanisches Wohlfühlabendessen: „Pici all’aglione à la Belinda“ (aus allen Zutaten, die ich zur Hand hatte, vor allem viel Knoblauch). Unsere neue Vermieterin hatte uns beim Einzug eine Flasche Rotwein aus der Region überreicht. Passte perfekt!
Nach einem entspannten Essen unter Pinienbäumen auf der Terrasse unseres Appartments legte sich Maja gleich präventiv und in zwei Zusatzdecken eingekuschelt ins Bett, um möglichst bald wieder voll einsatzfähig zu sein. Mein Mann leistete ihr im noch unbekannten Haus Gesellschaft.
Die Jungs waren gegen Abend noch abenteuerlustig, also begleiteten sie mich gerne zu meiner Hafenschlenderei. Linus (9) rang ich das Versprechen ab, dort ausnahmsweise nicht wie verrückt herumzuhüpfen. Das tat ich ungern, denn er liebt es, sich zu bewegen und wird seinem Sternzeichen „Steinbock“ dabei mehr als gerecht. Keine Mauer ist ihm zu hoch, kein Felsen zu steil und kein Baum zu unförmig, als dass dieser Junge nicht darauf zu finden wäre. Bloß: Ich wollte das eine oder andere Foto an der schmalen Mole machen und hatte ja auch noch den vierjährigen Nichtschwimmer-Minizwerg dabei. Dieser würde jeden Sprung des großen Bruders, seines heiligen Helden, jeden geschlagenen Haken und jeden Sprint voller Eifer nachahmen wollen und damit meine angespannten Nerven vollends zum Bersten bringen. Ich staunte, wie sehr Linus sich bemühte, meiner Bitte nachzukommen, nahm aber auch wahr, wie sehr er sich dafür konzentrieren musste.
Wir beobachteten, wie nach und nach voll beladene Fischerboote einliefen und kistenweise frischen Fisch zum direkten Verkauf am örtlichen, abendlichen Fischmarkt übergaben. Ganze Trauben interessierter Hobby- und Profiköche warteten geduldig, um die beste Ware quasi „direkt aus dem Netz“ erwerben zu können.
Am Ende der Mole – dort, wo der Fluss Bruna direkt ins Tyrrhenische Meer mündet, – befinden sich die zwei kleinen Leuchttürme der Stadt Castiglione della Pescaia – einer mit roten und einer mit blauen kleinen Mosaiksteinchen gekachelt, die jetzt aber – knapp vor Sonnenuntergang – farblich kaum mehr zu unterscheiden waren.
Hier konnte man auch zum Sandstrand schlüpfen und die Stimmung am Abend genießen.
Wir genossen das rhythmische Rauschen der Wellen, das Spielen im Sand, das Beobachten der Menschen, machten uns dann aber bald in unsere „Krankenstation“ auf. Ob wir es mit diesem ganz besonderen Fahrrad wohl schneller geschafft hätten?