FreiHand

Menjangan – Mein erster selbstgebauter Bogen

Es war einmal eine gleichmäßig gewachsene Manau-Palme mitten in Indonesien. Sie räkelte sich abwechselnd in der Sonne und im Regen, betrachtete die vielen anderen Pflanzen des Regenwaldes um sich herum, bestaunte den seltenen Balistar, Leoparden, Affen und Geckos. Eines Nachts streifte im silbernen Mondlicht ein imposanter Mähnenhirsch um die Manau-Palme herum, ein prächtiges Tier mit eindrucksvollem Geweih. Dieser Hirsch wird in Indonesien „menjangan“ genannt. Sein Fell troff noch vor Salzwasser, gerade erst war er von der Hirscheninsel „Pulau Menjangan“ zurückgekehrt – zwei Kilometer schwimmend über die salzige Javasee. Die Manau-Palme staunte und träumte sich ans Meer. https://balipassion.net/fr/blog/lile-de-menjangan/

Dieses Bild hatte ich vor Augen, als ich den vorbereiteten Manau-Rohling in Daniels Werkstatt erstmals in Händen hielt. Zum allerersten Mal in meinem Leben wollte ich mich der Holzverarbeitung widmen. Nein! Halt! Doch nicht! Einmal hatte ich schon zuvor etwas aus Holz hergestellt – das klassische Balsaholz-Flugzeug in Gymnasialzeiten 😉 Das zählt aber nicht wirklich.

Nach einigen Begriffserklärungen und Überlegungen zum Zuggewicht gingen wir gleich in medias res. Wir markierten die Mitte des Holzes und die Griffbreite (Handbreite + ca. 5 cm beidseits) sowie – dem geplanten Zuggewicht von 20-22 lbs entsprechend – eine Anfangsstärke der Wurfarmenden (Stirnseite des Staves) von 15 mm, zogen eine Markierung bis zum jeweiligen Ende des Mittelteils, spannten das gute Stück mit Schraubzwingen ein und machten uns mit einem scharfen Zugmesser an die Grobarbeit.

Den Bodentiller laufend testend waren wir vergleichsweise schnell so weit, die Sehnenkerben anzubringen.

Nun bringt eine Sehnenkerbe ohne Sehne nichts, weshalb die Holzbearbeitungswerkzeuge erst einmal Pause hatten und wir zu einem sehr gemütlichen Teil unseres Kurses kamen – der Sehnenherstellung. Da es mich ja immer wieder hin zu traditionellen/historischen Methoden zieht, war natürlich meine brennendste Frage, welches Naturmaterial zur Sehnenherstellung geeignet wäre. Passend zur Dringlichkeitsstufe meiner Fragestellung („brennend“) seien wohl Brennesselfasern in Notfallsituationen tauglich. Daniel war als Kursleiter gleich ganz fasziniert von der Idee. Klammheimlich schlich er sich in den Garten und holte für ein schnelles Experiment sogleich einige Brennesselstiele. Mit einem scharfen Messer wurden diese aufgeschnitten. Ohne auch nur mit dem Mundwinkel zu zucken, berührte Daniel dabei mit bloßen Händen die Stängel, was ihm ewige Bewunderung meinerseits garantiert. Das holzige Innere entfernte er, um später aus den verbleibenden Fasern ein Test-Sehnenstück herzustellen.

Währenddessen arbeiteten wir mit dem klassischen Material, dem Dacron-Sehnengarn. Für meinen Bogen benötigte ich insgesamt 12 Stränge mit einer Länge von ca. 2 m. Die jeweils sechs Stränge meiner beiden Farben wurden anfangs mit Sehnenwachs ordentlich eingefettet und damit regelrecht miteinander verbunden. Die Enden exakt aneinandergelegt banden wir sie mit einem Kontrastgarn bei ca. 20 cm Länge provisorisch zusammen. Das Verdrillen war vor allem zu Beginn mühsam und erforderte Konzentration.

In meiner Redseligkeit (Ihr wisst ja: Frauen müssen mind. 1.000 Wörter je Stunde sprechen. Oder war das pro Minute?) übersah ich, dass ich plötzlich die Einzelstränge nicht mehr nach außen drehte, sondern nach innen. Konsequenterweise (GsD hatte ich erst wenige Zentimeter abgearbeitet) begann ich noch einmal von vorne. Nachdem das Sehnenstück ausreichend lang für ein Sehnenohr war, arbeiteten wir dieses mittels Flämischem Spleiß aus.

Nun verdrillten wir das Material weiter, bis nur noch ein paar Zentimeter übrig geblieben waren.

Zum spannendsten Teil sollte es jetzt in weiterer Folge kommen – endlich war es Zeit für das Tillerbrett, das ich schon durch Majas Kurs kurz kennenlernen durfte. In stundenlanger Feinarbeit wurden die Wurfarme symmetrisch ausgearbeitet. In kleinen und kleinsten Schritten wurden die Wurfarme abgeflacht, verjüngt, noch weiter abgeflacht, die Wurfarmenden schmäler gearbeitet und immer wieder am Tillerbrett geprüft.

Leider dürfte mein Stave auf einer Seite einen Feuchtigkeitsschaden erlitten haben. Hier musste ich besonders vorsichtig arbeiten, denn das Holz neigte an den betroffenen, leicht grauen Stellen dazu auszureißen und verhielt sich auch viel starrer und unelastischer als das Holz am anderen Wurfarm.

Nachdem ich dreimalig meinen Entschluss, dass jetzt genug getillert sei, revidiert, erneut verfeinert und alles noch mit 240er Schleifpapier bearbeitet hatte, war ich irgendwann – zwei Stunden nach dem offiziellen Kursende – zufrieden mit meinen ersten Selbstbau-Bogen „Menjangan“. Flott einen Pfeil gebastelt und dann raus in die Wildnis 🙂

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