FreiGepäck

Ostern als Frühlingsfest

Als Tochter ursprünglich katholischer Eltern, die während meiner Pubertät zu den Protestanten konvertiert waren, während ich selbst aus pragmatischen Gründen (weniger Unterrichtsstunden) mit sechzehn Jahren aus der Kirche ausgetreten war, war Religion bei mir nie sehr präsent. Ich ging alljährlich mit der Familie zur Christmette, zur Palm- sowie zur Fleischweihe, ratterte auswendig gelernte Gebete ohne jeglichen persönlichen Bezug herunter, fand aber Kult und Rituale in diesem Zusammenhang in gewisser Weise durchaus faszinierend. An meiner jüngeren Schwester erkannte ich später, dass sie in ihrem Glauben Halt in Lebenssituationen fand, die sie sich nicht erklären konnte oder vor denen sie Angst hatte.

Die Frage, was einem im Leben Halt bietet, ist stets individuell zu betrachten.

Diesen Ansatz finde ich mehr als legitim, immerhin sichert er bis heute ihr Seelenheil. Ich selbst befasste mich stattdessen immer wieder religionsübergreifend mit „Moral“ und „Ethik“ und versuche bis heute, dies in unterschiedliche politische und gesellschaftliche Kontexte zu setzen. Zugleich schätze ich Brauchtum und Traditionen aller Menschen auf dieser Erde als Versuch, dem Leben eine gewisse Stabilität durch Routine zu verleihen. Für mich sind sie Ausdruck eines tief sitzenden Wunsches nach regelmäßig wiederkehrender Verbindung mit allem, was einen umgibt – egal, ob Mensch, Pflanze, Tier oder Element. Vor diesem Hintergrund nehmen wir als Familie auch sehr gerne die Feste im Jahreskreis mit, die uns das christliche Europa zu bieten hat, ermutigen aber die Kinder gleichzeitig dazu, stets zumindest einen kurzen Blick über den Tellerrand zu wagen und die Feste anderer Kulturen und Religionen mit uns gemeinsam zu betrachten. Klar ist aber, dass sie Rituale und Bräuche ganz allgemein über alles lieben. Und so kommt es, dass Ostern tatsächlich einen hohen Stellenwert für sie hat.

Es fängt mit der Dekoration des Hauses an. Das Schmücken des Osterstrauches obliegt mittlerweile den Kindern ganz allein.

Abweichend von der christlichen Tradition, die Ostereier am Karsamstag zu färben, erledigen wir das in aller Regel am Gründonnerstag https://belinda.amplatz.today/freiland/ostereier-blaetterdruck/. Der Samstag ist dann dem Reindlingbacken vorbehalten, wenngleich ich zu meiner Schande gestehen muss, dass ich noch immer keine richtige „Rein“ besitze und demnach den Reindling in der Guglhupfform backe.

Die Fleischweihe fällt für uns als Vegetarier naturgemäß aus. Allerdings hat sich dennoch eine Art Fressalien-Höhepunkt etabliert: der Ostersonntags-Brunch.

Bevor sich alle die Bäuche vollschlagen, gibt es natürlich auch bei uns die traditionelle Osternest-Suche, allerdings in einer materiell sehr reduzierten Form. Ein wenig Schokolade, unsere selbst gefärbten Eier sowie wahlweise ein kleines Spielzeug oder ein Buch finden sich in den Nestern, womit auch der Spaß rund ums Suchen einen höheren Stellenwert einnimmt als der Inhalt derselben.

Selbst unsere (Fast-)Teenies haben noch ihre Freude daran, durch den Garten zu laufen und alle noch so uneinsehbaren Ecken auszukundschaften.

Dass der „Osterhase“ uns Erwachsene auch besuchen würde, war aber tatsächlich eine Überraschung für meinen Mann und mich. Somit waren die Geheimniskrämereien unserer zwölfjährigen Tochter aufgeklärt und uns Eltern ging das Herz auf.

2 Kommentare

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert