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Hühner-Konvoi
Irgendwie stand Ostern heuer bei uns ganz im Zeichen der Hühner. Ich nehme an, dass das mit dem Ausbrüten unserer „eigenen“ Küken zu tun hat. Vergessen waren Osterhase und Osterlamm. Das Federvieh hatte eindeutig die Nase den Schnabel vorn und war auch zweifelloser Favorit in Bastel- und Malangelegenheiten unserer beiden Jüngsten. Inspiriert von Arbeiten der „La maestra valentina“ – einer bloggenden Kindergärtnerin aus Genua – hatte Linus (11) sich entschieden, einen Hühner-Konvoi zu basteln. Das Material kramte er sich aus unserem Fundus zusammen. Dabei stolperte er unter anderem über Reste sonnengelber Wellpappe, die er gleich zwischen anderen Papieren hervorzog. „Das werden die Küken, Mama!“, meinte er inbrünstig. Um gleichmäßige Formen…
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KÄRNTEN – Osterfeuer der Villacher Oberdörfer
Wenn trockenes Reisig von der lodernden Flamme einer Fackel geküsst wird und melodisch zu knistern und knacken beginnt, leise wie Regentropfen auf einem Schindeldach, starren seit Menschengedenken die Augen von Kindern und Alten gleichermaßen fasziniert in die Geburtsstätte eines neuen Feuers. Für heidnische Frühlingsfeste gibt es zwar keine handfesten historischen Belege, allein aber die Tatsache, dass heute – in weniger spirituellen Zeiten – dem weichenden Winter noch immer an vielen Orten der Welt, in unterschiedlichen Kulturen und Religionen zur Tag- und Nachtgleiche mit einem Fest begegnet wird, macht derlei rituelle Feierlichkeiten in vorchristlicher Zeit einleuchtend. Welchen Stellenwert unsere regionalen Osterfeuer für den Otto Normalbürger heutzutage noch haben, ist wohl fraglich.…
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Eins, zwei, Blei …
Ob als Lot, Rammbock-Verkleidung oder Schleuderblei, als Urne, Kessel oder Rohr, als Anker, zur Münzfälschung oder zur Reparatur von Keramiken – Blei zählt zu den sieben klassischen Metallen der Antike und prägte als solches auch noch im Mittelalter den Alltag der Menschen. Die Vorkommen im „Pleyberg“ bei Villach finden in einer Verpfändungsurkunde des Jahres 1311 erstmals Erwähnung. Doch gilt es als gesichert, dass in Kärnten schon Jahrhunderte zuvor Blei abgebaut und verwertet worden war, wie der beeindruckende Fund zahlreicher kleiner Bleifiguren im hallstattzeitlichen Gräberfeld von Frög zeigt. Nachdem ganz Mitteleuropa im Zeitraum 1338 bis 1341 von riesigen Heuschreckenschwärmen heimgesucht und damit die Ernten großer Regionen vernichtet worden waren, verursachte ein…
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In einem Garten in Ferney …
„Ma très chère amie, je me promène dans mon jardin de Ferney, où les fleurs du printemps commencent à montrer leur éclat. Les muguets, avec leur humble douceur, me font oublier les querelles des hommes et les vanités de Paris. Ces petites clochettes blanches ont plus de philosophie que nos docteurs, car elles se contentent d’être et de parfumer l’air.“ „Meine sehr liebe Freundin, ich spaziere durch meinen Garten in Ferney, wo die Frühlingsblumen beginnen, ihre Pracht zu zeigen. Die Maiglöckchen, mit ihrer bescheidenen Sanftheit, lassen mich die Streitereien der Menschen und die Oberflächlichkeiten von Paris vergessen. In diesen kleinen weißen Glöckchen steckt mehr Philosophie als in unseren Gelehrten, denn…
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Es ist alles Gold, was glänzt.
Menschen als wertvolle Individuen mit ihren jeweiligen höchstpersönlichen Stärken zu betrachten, fördert ein gedeihliches Zusammenleben. Bei einer differenzierten Betrachtungsweise über den Wert jedes Einzelnen in einer Gesellschaft darf man sich seines eigenen Platzes bewusst werden, ohne in anmaßende Hybris zu verfallen. Gleichzeitig darf man erkennen, dass einem die Talente der anderen nicht nur nützlich sind, sondern diese das eigene Leben vielfältig bereichern und sei es nur, weil sie einen Perspektivenwechsel auf die Dinge und Angelegenheiten des Alltags ermöglichen. Für mich persönlich kristallisierte sich im Laufe meines Lebens heraus, dass die Ausgewogenheit zwischen dem Dienst an der Gesellschaft (respektive dem Partner und der Familie) und dem Dienst an sich selbst die…
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Pipalan
„Beharrlichkeit, Arbeitsfreude, Freiheitsliebe zeichnen den Kärntner aus, behäbig und traulich ist sein Wesen, seine Sprache – er liebt die Verkleinerungsformen über alles; zärtlich und treuherzig, wie man zu seinem Schatz, zu seinem Kind zu sprechen pflegt, spricht er im behaglichen Redefluss, diesen noch verlangsamend, sinnlicher machend durch eine Unmenge von kleinen Füllwörtern…“ (Peter Rosegger, „Der Kärntner“, 1879) „Kinda, wollt’s ane Pipalan ausbruatn?“, fragte ich in den Raum, als unsere liebe Bekannte Anita angeboten hatte, ihren Brüter samt befruchteten Eiern zur Verfügung zu stellen. „Oba mia miass’n se wieda z’ruckbringan, wenn se g’schlupft san.“ Je älter unsere Kinder werden, umso stärker erkennt man ihre Vorbilder im Außen. Unsere Teenager zieht es…
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KÄRNTEN – Sammelsurium der Völker
Unser Bundesland hat eine bewegte Geschichte und war Siedlungsgebiet der unterschiedlichsten Völker. Mein persönliches Interesse gilt vor allem dem mächtigen keltischen Staat Noricum (ca. 300 v. Chr. bis ca. 15 v. Chr.) und auch der zeitlich darauf folgenden gleichnamigen römischen Provinz, welche aus den freundschaftlichen Beziehungen der Römer mit den Norikern hervorgegangen war. Während ich vom slawischen Karantanien mehr oder weniger nichts weiß, habe ich über die historischen Hintergründe ab der Zeit des Herzogtums Kärnten wenigstens rudimentäre Kenntnis, genug jedenfalls, um in den Augen meines 11jährigen Sohnes als „allwissend“ durchzugehen 😉 An dem Tag, an welchem wir den „Herzogstuhl“ in Maria Saal in natura ansehen wollten, war es bitterkalt. Minus…
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Das Brot der Pfahlbauer
Kennt ihr, meine geschätzten Leser, die UNESCO-Welterbestätte am Keutschacher See? Sichtbar ist sie heute nur für jene, die gut Luft anhalten können und namentlich über eine Ausnahmegenehmigung für die Tauchverbotszone verfügen, denn sie befindet sich geschützt unter Wasser auf einer Untiefe des Sees, die vor etwa 6.000 Jahren eine Insel gewesen sein dürfte. Entdeckt wurde sie vor über 160 Jahren: eine jungsteinzeitliche Pfahlbausiedlung. In Linus‘ approbiertem Sachunterrichtsbuch geht man mit diesem verborgenen Schatz Kärntens eher stiefmütterlich um: ein einzelner Satz inklusive Falschinformation (das Alter der Siedlung wurde falsch angegeben) neben einem einzelnen Bild. Wie hoch stehen die Chancen, dass sich ein zehn- oder elfjähriges Kind nachhaltig DARAN erinnert? Linus (11)…
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Des Kaiserpinguins neue Kleider
Kennt ihr solche oder ähnliche Situationen? Man steht mit den Kindern mitten im Winter am Bahnsteig und ein durchfahrender Güterzug hinterlässt einen unangenehmen, frostigen Luftstrom, dem man nicht wirklich entrinnen kann. „Pinguinkuscheln!“, rufe ich dann hie und da den Kindern zu, die in aller Regel grinsend angewatschelt kommen, damit wir uns gegenseitig ein wenig Wärme schenken können. Szenenwechsel: Antarktis. – 50 °C. Windgeschwindigkeiten von bis zu 200 km/h. Brutzeit der Kaiserpinguine. Während sich die Weibchen um die Nahrungsbeschaffung kümmern, halten die Männchen auf der gut durchbluteten Oberseite ihrer Füße die Eier warm. Um zu überleben, bilden sie ein sogenanntes „Huddle“, welches in komplizierten Wellenbewegungen die einzelnen Mitglieder der kollektiven Kuschelgruppe…
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Dem Himmel sei Dank!
Als ich am Sonntag aufwachte, dachte ich an die Eltern des am 15. Februar in Villach ermordeten 14jährigen Jungen. Ich fühlte mich an den 9. Juli 2017 zurückversetzt, jenen Tag, als unser Sohn tags zuvor gestorben war. Die Leere, die Erschöpfung, die Zweifel über die Echtheit des Erlebten, das Gefühl der Unvollständigkeit, all das ploppte einen Sekundenbruchteil lang als schmerzhafte Erinnerung auf. Ich empfand Mitleid mit der Familie, dessen Kind so grausam aus dem Leben gerissen worden war, und hatte gleichzeitig den Anhauch schlechten Gewissens, weil es gottlob nicht eines unserer Kinder gewesen war und ich deshalb gleichzeitig tiefe Dankbarkeit in mir spürte. In unserem gesamten Umfeld brodelte es. Trauer…