FreiGeist,  FreiGepäck

NIEDERÖSTERREICH – Geolehrpfad Bad Vöslau

Wer von meinen Lesern, die zumindest über einen Pflichtschulabschluss verfügen, kennt die Namen der fünf Großlandschaften Österreichs? Wer kann erklären, was die Flyschzone ist? Wer erinnert sich noch daran, welche Edelsteine in den Kärntner Alpen zu finden sind? Keiner?*) Geologie wird in der Sekundarstufe behandelt und alles, was Erwachsene später mit diesem Begriff in Zusammenhang bringen, ist: „Steine?“ Zugegeben: Man kann sich ja nicht für alles interessieren. Hie und da lohnt es sich aber meines Erachtens, den Blick über den Tellerrand zu wagen und den Stein im wahrsten Sinn des Wortes ins Rollen zu bringen.

*) Ich wusste all das übrigens bis zu meiner ersten Wiederholung gemeinsam mit unserem ältesten Sohn Laurin vor etwa vier bis fünf Jahren auch nicht mehr 😉

Bereits im Sommer zogen wir Mädels aus den Alpen los, um das Vorland im Südosten in Augenschein zu nehmen https://belinda.amplatz.today/freigepaeck/steiermark-auf-den-spuren-der-steirischen-vulkane/ Aber wie schauen nun eigentlich die anderen Großlandschaften unseres Heimatlandes aus? Erkennt man überhaupt Unterschiede im Landschaftsbild oder ist der ganze Kram nur langweilige Theorie?

Ausgehend von unserem Standort in Hirschwang an der Rax fuhren wir am Morgen des Nationalfeiertages im Sonntagsfahrer-Tempo die Schwarza entlang zuerst durch das malerische Höllental und weiter über Gutenstein zum Kurort Bad Vöslau. Der Himmel war von Wolken bedeckt, sodass die herbstlichen Farben der Weinberge und der dahinter liegenden Wälder gedämpft schienen, so als läge hauchzarter Musselin darüber.

Der Kurpark in Bad Vöslau war Ausgangspunkt unserer geologischen Reise in die Vergangenheit. Vor 16 Millionen Jahren – im Miozän – erstreckte sich noch ein weitläufiges, warmes Meer, die sogenannte Paratethys, über das gesamte Wiener Becken.

Paratethys im Badenium (Als Badenium wird eine regionale Stufe des Miozäns bezeichnet.)(Quelle: Naturhistorisches Museum; Das Werden der Paratethys; Harzhauser 2005)

Am Fuß des Harzbergs, wo wir – fünf Vertreter des Homo sapiens sapiens – mit Rucksack, Proviant und warmer Kleidung standen, befand sich zu jener Zeit die Festlandküste der Paratethys. Das Leithagebirge erschien damals als mit Riffen umsäumte Insel weit vor der Bucht. Gleichzeitig transportierten die Flüsse aus dem Hinterland im Westen große Schottermengen in das Gebiet um Bad Vöslau, die sich über Jahrmillionen zu einem Konglomerat verfestigten.

Vöslauer Konglomerat mit seinen Kiesen

Durch Klüfte im Vöslauer Konglomerat entlang der tektonischen Bruchlinien sprudeln heute die Thermalwässer in Form natürlicher warmer Quellen zu Tage. 15.000 Jahre dauerte der Weg des Wassers vom Absinken über 2.000 Meter mit der damit verbundenen Erwärmung und Anreicherung mit zahlreichen Mineralien bis zum Wiederaufsteigen auf eine Höhe von 660 Metern.

Ohne besonders auf den Untergrund zu achten, über den uns unser Weg führte, setzten wir unsere Füße auf einen rötlichen Stein, der uns wohl gar nicht weiter aufgefallen wäre.

Klauskalk

Dabei handelte es sich um ein kleines, regionales Vorkommen von „Klauskalk“, der küstenfern in großer Meerestiefe entstanden war.

Wir ließen unsere Blicke von der Helenenhöhe aus über die Weinberge und in die Ferne streifen und erkannten dort das „Veitinger Gebirge“, wenngleich dieses wohl eher einer leichten Geländewölbung ähnelte.

Umso spektakulärer ist die Entstehungsgeschichte dieses langgestreckten „Hügelchens“, welches sich durch eine sogenannte „geologische Reliefumkehr“ gebildet hatte. Durch das Einwirken eines Flusses aus dem Hinterland in das ursprüngliche Becken (zeitlich nach dem Absinken des Meeresspiegels am Ende des Badeniums) wurden die Meeresablagerungen im Laufe der Zeit seitlich abgetragen, während sich früher vom selben Fluss mitgeführte Schotter verfestigten und als Erhebung stehenblieben.

Unser Weg führte uns weiter durch den Schwarzföhrenwald des Harzberges …

… zum „Wilden Ofen“, dem Zugang in ein umfangreiches Höhlensystem mit mehreren großen Eingängen und Felsentoren, das durch den Reibsandabbau der „Gainfarner Brekzie“ entstanden war. Unter „Brekzie“ versteht man ein Gestein, dass aus eckigen Gesteinstrümmern aufgebaut ist, die durch eine feinporige Kittmasse zusammengehalten werden (wohingegen ein Konglomerat abgerundete Steine einschließt).

Beeindruckend war auch die nächste Station des Geolehrpfades – der Harzbergbruch. Über einen Zeitraum von fünf Millionen Jahren war der südliche Bereich um 70 – 100 Meter abgesunken, wodurch zwei verschiedene Gesteinsschichten direkt nebeneinander zu liegen kommen.

Die Gainfarner Brekzie (16 Millionen Jahre alt) ist weiß und wurde bis zum grauen Kalk und Dolomit der Trias (ca. 250 Millionen Jahre alt) abgebaut.

Nachdem wir am charmanten Jausenplatz am Harzbergbruch unseren Proviant verzehrt hatten, führten wir unseren Weg fort und lächelten über eine besondere Begegnung mit einer weißen Taube.

Eindrucksvoll breitete sich entlang des Weges ein herbstlich roter Blätterteppich unter den immergrünen Schwarzföhren aus.

An der Flanke des Harzberges finden sich noch die Relikte weiterer Abbaustätten der „Gainfarner Brekzie“, wie beispielsweise die „Marschgrube“, die heute den Pfadfindern als Treffpunkt dient. Ob einer der ihren der unbekannte Künstler war?

Am Ende des Geolehrpfades führten malerische Steintreppen bis zur Vöslauer Hütte.

Dort genossen Maja und ich den Ausblick über das Wiener Becken und den Wienerwald.

Mein Mann und Linus intensivierten diesen Panoramaeindruck noch durch den Aufstieg auf die 21 Meter hohe Jubiläumswarte, welche anlässlich des 50jährigen Regierungsjubiläums Kaiser Franz Josephs I. im Jahr 1898 erbaut worden war.

Jubiläumswarte

Auf die letzten beiden Stationen des Geolehrpfades mussten wir leider verzichten. Die Sonne stand schon tief und Regen zog auf. Immerhin waren wir die Strecke von 4,5 km (die wir durch intensives Erkunden von Seitenwegen sicher auf 6 km ausgeweitet hatten) im Tempo unseres Vierjährigen marschiert und auf diese Art sechs Stunden unterwegs gewesen. Aber auch zu diesem Zeitpunkt hatten wir bereits viel Interessantes erfahren und schlossen den Tag mit dem Eindruck, dass Geologie viel mehr kann als nur „Steine?“.

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert