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    LONDON – Teatime

    Stellt euch ein prunkvolles viktorianisches Herrenhaus aus roten Backsteinen, weiß gestrichenen Erkerfenstern und Schieferdächern vor, einen steifen Butler in schwarzer, förmlicher Uniform und weißen Handschuhen und einen Kreis schnatternder Frauen in eng geschnürten Korsetts und ausladenden Kleidern, wie sie dampfenden Earl Grey mit etwas Milch und Zucker zu sich nahmen und währenddessen den neuesten Klatsch aus der oberen Mittelschicht austauschten. Ist das nicht auch für euch britische Tradition in Reinkultur? Was mir lange nicht klar war, ist, dass die Gepflogenheit des „afternoon tea“ respektive des „five-o-clock-tea“ in Wahrheit vergleichsweise jung ist. Anna Russel, der siebenten Herzogin von Bedford und Hofdame der Königin Victoria, ist die britischste der britischen Traditionen zuzuschreiben.…

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    LONDON – Charles Dickens oder „Vom Tellerwäscher zum Millionär“

    Wer von euch kennt nicht „Die Weihnachtsgeschichte“, in der sich der geizige und herzlose Ebenezer Scrooge durch die Erscheinung mehrerer Geister dem Guten zuwendet? Und ist euch nicht auch der Waisenjunge „Oliver Twist“ bekannt, der durch seine Lebensumstände unter Leichenbestattern und Taschendieben verkehrt und viel durchleiden muss, bis ihn das Leben endlich belohnt? Die Gegenüberstellung von Arm und Reich, von Recht und Unrecht, von Glück und Elend prägt zahlreiche Werke eines englischen Schriftstellers, der wohl zu den bekanntesten des 19. Jahrhunderts zählt: Charles Dickens. Er selbst war Sohn eines überschuldeten Mannes, der aufgrund seiner hohen Außenstände im Gefängnis und er selbst daraufhin im Alter von zwölf Jahren als ausgebeuteter Industriearbeiter…

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    LONDON – Ein Pferd! Ein Pferd! Mein Königreich für ein Pferd!

    Maja (14) hätte es nach unserem Spaziergang auf Shakespeares Pfaden in London wohl Richard III. gleich getan und ihre größten Schätze für einen fahrbaren (oder reitbaren) Untersatz geboten. Immerhin sind wir beinahe 14 Kilometer durch die Stadt gewandert. Davon legte sie – ungelogen sehr schick in ihren Schnürstiefeletten mit Absatz – sicher zehn zurück ohne zu jammern. Irgendwann aber schlug ihre Stimmung schlagartig um. Von diesem Moment an wurde der Rest der Welt – allen voran meine Wenigkeit, da ich die Route ja zusammengestellt hatte – für ihr Dilemma verantwortlich gemacht und entsprechend angefaucht. In meiner Jugend sagte man ja nur: „Wer schön sein will, muss leiden.“ Es ist mir…

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    LONDON – Es ist höchste Eisenbahn!

    Mein Mann erklärte mich für verrückt. „Du willst mit dem Zug nach London fahren? Das willst du dir wirklich antun?“ Ich setzte bildlich gesprochen meine rosarote Brille aus den 70er Jahren auf und antwortete naiv: „Klar. Warum nicht? Ich liebe Zugfahren! Und außerdem möchte ich irgendwann gerne mit dir gemeinsam zum allerersten Mal in ein Flugzeug steigen.“ Bereits im April buchte ich die Fahrkarten. Die Österreichischen Bundesbahnen (OEBB) sollten uns mit dem Nightjet im Schlafwagen zum Sparschiene-Tarif nach Stuttgart bringen. Von dort aus war die Weiterreise mit der Deutschen Bahn (DB) nach Paris und am Ende mit dem Eurostar nach London geplant. Schon im Juni folgte die erste Ernüchterung. Es…