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KROATIEN – „Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen.“ (J. W. von Goethe)
Sobald man, mit dem Entschluss im Kopf, eine Wanderung zu beginnen, den ersten Schritt tut, lichten sich peu à peu die oft trüben Gedanken und lähmenden Sorgen, die einen – hoffentlich nur gelegentlich – im Leben begleiten. Je beschwerlicher dabei der Weg ist, desto freier wird der Kopf – so zumindest nach meiner Erfahrung. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass ein Fußmarsch nicht von Anfang an mit seelischer Leichtigkeit einhergehen kann. Ganz egal, wie die mentale Verfassung auch beim Losgehen sein mag, mit Gewissheit ist sie am Ende des Weges nicht schlechter als beim Aufbruch. Als wir oberhalb des Städtchens Baška auf der Insel Krk unser Auto parkten und noch einmal…
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KROATIEN – Eichenlaub
In einem früheren Leben muss ich Druidin gewesen sein, so sehr fühle ich mich den Eichen verbunden. Berühre ich ihre knorrigen Stämme und fahre sanft mit den Fingern über ihre tiefen Furchen, so ist es, als erzählten sie mir persönlich von der Vergangenheit, von stürmischer Liebe und brutalem Krieg, von Sommer und Winter, von üppiger Fülle und erbarmungsloser Dürre, von trauriger Einsamkeit und schierer Lebensfreude. Stundenlang könnte ich in ihrem Schatten verweilen und über das Leben nachdenken. Da ich jedoch die Präsenz von Stiel- und Traubeneichen intensiver und kraftvoller wahrnehme als jene von Rot- oder Steineichen, vermute ich eine banalere Erklärung als ein ehemaliges keltisch-heidnisches Alter-Ego. Wahrscheinlich mag ich Eichen,…
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KÄRNTEN – Alpine Stilikone
Eigentlich hatten Linus (11) und ich uns ambitioniert vorgenommen, nach den Externistenprüfungen bis in den Herbst hinein zehn Kärntner Gipfel gemeinsam zu erklimmen. Es kam anders. Ein schrecklich verregneter Juli und zusätzliche sowohl vorausgeplante als auch spontane Wochenendausflüge und Treffen mit Freunden und Bekannten ließen recht schnell unser Ziel selbst bei bestem Willen als zu hoch gegriffen erscheinen. Einen einzigen Gipfel schafften wir. „Schwåch ångfångan und stoak nåchglåssn“, würden wir Kärntner sagen. „Oder aztekisch gezählt“, könnte Linus entgegnen, der ja ein Faible für Mexiko und seine Axolotl hat. In der dort mexikanisch-indigenen Sprache „Nahuatl“ gibt es das Wort „cē“, das dem deutschen „zehn“ phonetisch unglaublich ähnlich ist, praktischerweise aber „eins“…
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DEUTSCHLAND – O Sole mio …
Zwischen dem Chiemsee im Westen, dem Rupertiwinkel im Osten und den Chiemgauer Alpen im Süden liegt das geschichtsträchtige bayerische Städtchen Traunstein, Heimat sowohl der Schul- als auch der Volksharfe unserer Tochter. Im Geburtsjahr meines Mannes hatte Karl Fischer sen. mit dem Harfenbau am Standort des Musikhauses Fackler begonnen, das heute von seinem Enkel Thomas in fünfter Generation geführt wird. Dreitausend heute über die ganze Welt verstreute Fischer-Harfen hatten hier ihre Geburtsstätte. Rund 125 Arbeitsstunden sind erforderlich, um die neunhundert Bauteile einer Harfe von Hand zu einem so himmlischen Saiteninstrument zusammenzusetzen. Die Stadt Traunstein selbst erlebte ihre Blütezeit als Handelsmetropole und Salinenstadt im Mittelalter. Dass das Weiße Gold eine Rolle in…
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KÄRNTEN – Hoch über dem Drautal
In diesem Jahr macht der April seinem Namen alle Ehre. Gab es am Ostersonntag noch Sonnenschein und warme Frühlingstemperaturen, hätte man dem Ostermontag durchaus auch einen grau-bewölkten Herbsttag abgekauft. Nichtsdestotrotz waren meine zweite Hälfte und ich hoch motiviert, in einem unerklärlichen Anflug von Frühlingsgefühlen (und gewahr der Tatsache, dass mit Fortschreiten der Jahreszeit und damit einhergehender Reduktion der Bekleidungsmengen jegliche Ernährungssünden des Winters mehr als augenscheinlich werden) gleich ein paar Höhenmeter zu machen und uns für den Sommer wieder in Form zu bringen. Wir fuhren mit unseren beiden jüngeren Söhnen gemütlich über Tscheuritsch und Fresach ins kleine Bergdorf Amberg hoch über dem Drautal. Ausgehend vom „Koflerhof“ auf etwa 1.300 m…
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Eins, zwei, Blei …
Ob als Lot, Rammbock-Verkleidung oder Schleuderblei, als Urne, Kessel oder Rohr, als Anker, zur Münzfälschung oder zur Reparatur von Keramiken – Blei zählt zu den sieben klassischen Metallen der Antike und prägte als solches auch noch im Mittelalter den Alltag der Menschen. Die Vorkommen im „Pleyberg“ bei Villach finden in einer Verpfändungsurkunde des Jahres 1311 erstmals Erwähnung. Doch gilt es als gesichert, dass in Kärnten schon Jahrhunderte zuvor Blei abgebaut und verwertet worden war, wie der beeindruckende Fund zahlreicher kleiner Bleifiguren im hallstattzeitlichen Gräberfeld von Frög zeigt. Nachdem ganz Mitteleuropa im Zeitraum 1338 bis 1341 von riesigen Heuschreckenschwärmen heimgesucht und damit die Ernten großer Regionen vernichtet worden waren, verursachte ein…
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KROATIEN – Ein bisschen Frieden
Sieht man sich die weltweite politische Entwicklung dieser Tage an, kommt man beinahe an den Rand der Verzweiflung und Resignation. Irgendwie beschleicht mich das dumpfe Gefühl, als sei die Menschheit doch noch nicht so weit entwickelt, wie sie es sich selbst vorgaukelt. Die Gier nach Geld und Macht weniger skrupelloser Über-Leichen-Gänger und eine angstgepeinigte Masse an kleinen Hamstern in ihrem jeweiligen Rad sind eine Jahrtausende alte Konstellation, die ganz offensichtlich nach wie vor bestens funktioniert. Bereits der altehrwürdige Yoda erkannte: „Furcht führt zu Wut. Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“ Nur eine winzige Voraussetzung ist vonnöten, um jenen Kreislauf aufrecht zu erhalten. Es braucht einen Kurier, der…
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ITALIEN – Laghi di Fusine (Weißenfelser Seen)
Mit seinen Wetterkapriolen macht der April heuer seinem Namen alle Ehre. Regen, Schnee und Sonnenschein reichen sich oft innerhalb von Stunden die Hand. Für unseren geplanten Ausflug knapp über die italienische Grenze hatten wir uns einen zwar bedeckten, ansonsten aber stabilen Frühlingstag ausgesucht. Das kleine Städtchen Tarvis im Kanaltal des nördlichen Friaul ist von unserem Zuhause aus in einer knappen halben Stunde Autofahrt erreichbar. In der Nähe liegt die kleine Ortschaft Fusine di Valromana. Am Fuße der Nordseite des imposanten 2.679 m hohen Mangart liegen die idyllischen Weißenfelser Seen, gespeist vom Wasser, das durch die Gesteinsschichten des Berges hindurchfließt. Die schneebedeckten Hänge des vierthöchsten Berges der Julischen Alpen spiegelten sich…
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Morgenstund‘ hat Gold im Mund
Gehört ihr zur Kategorie „Lerche“ oder „Nachteule“? Für mich sind die frühen Morgenstunden die schönsten des Tages. Wenn die Stille der Nacht nach und nach einer sich langsam steigernden Betriebsamkeit weicht und sich die „Blaue Stunde“ golden und rot verfärbt, bin ich ganz in meiner Mitte. Gerne erinnere ich mich an die Zeiten zurück, in denen ich meinen Dienst um acht Uhr morgens frisch geduscht nach einer Mountainbiketour auf die „Rosstratten“ des Villacher Hausbergs „Dobratsch“ begann: 18 km Bergstrecke und 18 km retour. Aktuell beginnen meine Tage mit einer seit siebzehn Jahren andauernden chronischen Übermüdung, entsprechenden Augenringen in hippem lavendelblau sowie mit den Fingern unseres Jüngsten (4) in meinem Gesicht…
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ITALIEN/TOSKANA – La città perduta
200 kg Weizen pro Jahr. Das war der durchschnittliche Mietpreis für eine Wohnhöhle in der mittelalterlichen Stadt Vitozza. In nur wenigen Tagen ließ sich eine solche Behausung aus dem weichen Tuffstein graben. Obwohl so manche Höhle bereits von den Etruskern besiedelt worden war, war das eigentliche Vitozza im Süden der Toskana vermutlich Ende des 11. Jahrhunderts entstanden. Seine gut zu verteidigende Hügellage und der fruchtbare Boden der Region verhalfen der Höhlensiedlung zu ungeahnter Größe und Beliebtheit. In seiner Blütezeit lebten dort etwa 7.000 Menschen. Heute ist Vitozza Geschichte. „La città perduta“ – die untergegangene Stadt – wird seit dem Tod der letzten Bewohnerin Agostina „La Riccia“ Ende des 18. Jahrhunderts…




























